Hitler und Christen
Das Ziel war es letztlich, das Ziel von Hitler und seinen ideologischen Genossen, die Kirchen auszuschalten. Aber das konnte er nicht sofort machen, dazu waren die Kirchen zu stark. Hitler war von teuflischer Schläue. Was hat er gemacht? Er hat Leute begeistert, Leute unter den maßgeblichen Christen, unter den Universitätstheologen, unter den Religionslehrern, und damit unter immer mehr Menschen, die seine Ideologie aufnahmen und verbreiteten. Zu einem großen Teil waren sie schon in diese Richtung unterwegs, sodass Hitler das nur noch kanalisieren musste. So wurde aus dem Juden Jesus der arische Jesus, so wurde aus der Bibel und aus den Gottesdiensten alles, was in deren ideologisch verkorksten Hirnen als jüdisch diffamiert wurde bzw. im positiven Sinn jüdisch war, wurde umgeprägt, erneuert, umdefiniert – weil jüdisch für diese Rassisten ein NoGo war. Erst verband man Kreuz und Hakenkreuz (das Zeichen der Rettung mit dem Zeichen des Todes [1]) Dann machte man aus dem Kreuz ein Hakenkreuz.
Kurz: Die Kirchen wurden ideologisch vereinnahmt – und das konnten die Hitlergenossen nur erreichen, weil so viele vor allem evangelische Christen mitgemacht haben, begeistert mitgemacht haben. Ihre neue Mission war nicht mehr der christliche Glaube, ihre Mission war das nationalistische Überschminken des christlichen Glaubens. Und immer mehr machten mit, weil sie das modern und – mit heutigem Wort gesagt – cool fanden. Der Nationalsozialismus ist nationalistisch, ist Befreiung, ist für Jugend da, bringt Wohlstand für alle, Sinn des Lebens, Lebensglück, erhebt Frauen… Und viele wollten also dazugehören zu dieser tollen Bewegung. [4]
Manche Christen haben nicht mitgemacht. Das aus unterschiedlichsten Gründen. Aber sie haben nicht mitgemacht. Sehr wenige derer, die sich schriftlich geäußert haben, erkannten von Anfang an das Unwesen, manche erkannten das erst im Laufe der Zeit [2]. Und das waren in den Augen derer, die Mitgemacht haben (den Deutschen Christen) die Nestbeschmutzer, die Verräter, sie wurden diffamiert und denunziert, sie wurden von Kirchen und vom Staatsapparat und natürlich den Medien bekämpft. Massiver sozialer Druck wurde aufgebaut, es wurde eingeschüchtert, es wurde die finanzielle Lebensbasis genommen,. Es gab Kontaktschuld, Sippenhaft und alles, was man sich an Bösartigem vorstellen kann. Wir nennen die Christen, die nicht mitgemacht haben, heute Christen der Bekennenden Kirche, aber es gab auch andere Christen, die nicht mitgemacht haben. Die versucht haben, Netzwerke aufzubauen, um gegen die Kultur des Todes mit anderen ankämpfen zu können. Manche haben sich zurückgezogen, manche haben sichtbar mitgemacht – dann aber im Untergrund gegen diese Barbarei gekämpft.
Natürlich haben manche auch gesehen, dass man den Nationalsozialisten nicht die Macht allein über das Volk lassen sollte. Man wollte also mit ihnen gemeinsam die Macht über das Volk zurückgewinnen, die nationalsozialistische Weltanschauung in gewisser Weise christlich unterlaufen. Dabei haben diese Christen den Bach, der zu einem reißenden Strom wurde, wie man nachträglich erkennen kann (und nur wenige vorher erkannt haben) nicht richtig interpretiert. [5]
Und das muss beachtet werden. Hitler und seine Genossen konnten nur so vorgehen, weil die Kirchen/Christen selbst schon im Verfall waren. Sie waren nicht Diener von Jesus Christus – sie suchten, wem sie sich anbiedern konnten. (Vorher war es der Kaiser, aber der musste bekanntlich abdanken.) Anders gesagt: Weil sie nicht im Glauben gefestigt waren, weil sie in ihrem Glauben Langeweile erlebten, suchten sie den weltanschaulichen Kick woanders und wurden flugs vereinnahmt. Und so geht das immer: Wenn die Verbindung zu Christus nicht eng ist, dann suchen Glaubende irgendwas, das sie über Jesus Christus stellen können, irgendwelche Ersatzthemen, für die sie sich dann mit Leib und Leben engagieren. Das ist spannender, man kann sich engagieren, hat Gemeinschaft außerhalb der Kirchen, …
Das gilt nicht nur für das Verhältnis Christen – Nationalsozialismus. Ich kenne mich in dieser Hinsicht nicht so gut aus, vermute aber, dass das mit der konkurrenten Ideologie, dem InternationalSozialismus, im russischen Reich genauso lief [6]. Wir hatten ja auch in Deutschland Theologen usw. die dieser konkurrenten Ideologie den Boden bereitet haben. Sie haben versucht, den christlichen Glauben mit dem Sozialismus/Kommunismus irgendwie kompatibel zu machen. Die Anbiederung an die Herrscher, als sie sich nicht mehr vom Glauben herleiteten, ist auch in der gesamten Neuzeit zu erkennen. Wenn Glaubende auf Abwegen sind, dann suchen sie sich menschliche, weltanschauliche Größen, die letztlich Jesus Christus verdecken. Dann machen sie mit – wer kann es Mitläufern verdenken, dass sie mitmachen. Mitläufer haben weltweit meistens länger überlebt als Menschen, die Widerstand leisteten. Mitläufertum steckt in gewisser Weise epigenetisch in den Zellen. Aber aus christlicher Sicht ist falsches Leben durch Anbiederung und Anpassung kein Indiz für ewiges Leben. Natürlich sind viele nicht nur Mitläufer – viele sind auch treibende Kraft. [3]
Jesus Christus und auch andere Christen lehren, eigenständig zu bleiben, sich Gottes Willen zu unterwerfen, nicht dem Willen irgendwelcher Menschen und Ideologien und Zeitströmungen.
[1] Hitler und Genossen haben viele Traditionen, die gut waren, übernommen und für ihre Zwecke missbraucht. Das war taktisch klug, hat aber für lange Zeit diese Traditionen verbrannt. Zum Beispiel das Wort „Heil“ – ein immens wichtiges Wort im Christentum. Das geschah auch mit dem Hakenkreuz, dessen Vorlage das alte Sonnenrad (Swastika) war. Das finden wir bei den alten Völkern in Europa bis hin nach Indien. Es wurde also durch die Übernahme durch Hitler und co. auch verbrannt. Ursprünglich in Indien rechtsdrehend als Glücksbringer, linksdrehend mit dem Tod verbunden, aber als Notwendigkeit, um Leben zu bringen (Kali). Schon Helena Blavatsky (1831-1891), die „Mitbegründerin“ der Theosophie hat im 19. Jahrhundert in ihrer Begeisterung auch für die indische Tradition „Die Geheimlehre“ entwickelt. Sie sah in der Swastika ein altes okkultes, spirituelles Symbol. Sie verwendete ebenfalls den Begriff „arisch“ mit Blick auf eine höhere Stufe der Menschheit. Blavatsky hatte nichts mit Hitler und Konsorten zu tun. Aber manche ihrer Ideen wurden auch von den Nationalsozialisten für ihre Kultur des Todes verwendet. Und so wurde auch das Hakenkreuz zum Symbol für eine Form der Kultur des Todes (der Menschenverachtung: des Rassismus, des Sozialdarwinismus, des Missbrauchs von Recht und Gesetz, Missbrauch von Staatsmacht).
[2] https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott/theodizee-sophie-scholl-weisse-rose/
[3] Siehe mein Buch: Wie Jesus zum Arier wurde. Auswirkungen der Entjudaisierung Christi im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005.
[4] Dieses Element darf nicht übergangen werden. Meistens werden die schlimmen Auswüchse betont und man fragt sich, wie konnten die nur so viele Leute mobilisieren, wenn sie so negativ waren. Aber für Zeitgenossen war der Nationalsozialismus eine positive Bewegung. Für nachdenkliche Menschen zu rabaukig, zu lärmend, dröhnend, mit Musik und anderem Brimborium. Aber wiederum anderen hat das gefallen, ständig auf Trab gebracht zu sein (vgl. Haffner). Wie alle diese Ideologien als positiv angesehen werden – und ihre Todesfratze erst später zeigten. Freilich: wie zu sehen: Manche erkannten das Menschen verachtende Übel schon vorher. Aber das wurde erst einmal von den meisten weitgehend verdrängt.
[5] Siehe z.B. https://mini.evangelische-religion.de/nationalsozialismus-und-christliche-jugend/ und: https://mini.evangelische-religion.de/barmer-theologische-erklaerung/ und: https://mini.evangelische-religion.de/heinrich-vogel/ und: https://mini.evangelische-religion.de/kommunismus-sozialismus/
[6] Vor allem auf den unteren Ebenen des orthodoxen Klerus gab es begeisterte Anhänger für den Sozialismus, manche Ausbildungsstätten des Klerus waren sehr engagiert. Aber nicht immer sozialistisch/kommunistisch, sondern reformorientiert. Natürlich war die politische Lage und Russland eine andere als in Deutschland der Weimarer Zeit, vor allem das zaristische Regime war brutal, und es war verständlich, dass sich Menschen dagegen wandten. Freilich wurde der Widerstand gegen das ZarenRegime von den Sozialisten unter Lenin und co. übernommen und die Vielfalt wurde plattgemacht. Es gab Reformer – aber alles wurde durch das Regime im Keim erstickt. Sodass dann die Extremisten im Land die Oberhand erkämpft haben. Ich kenne nicht viele, aber spannend ist die Biographie von Berdjajew, der Marxist war – also sozial orientiert, sich der Orthodoxie zuwandte, Lenin kritisierte… https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolai_Alexandrowitsch_Berdjajew