Die folgenden Texte sind aufgrund einer e-Mail-Anfrage als Reaktion darauf entstanden. (Februar 2013)

Kritik an der Kirche 1 : Missbrauch

Gegen die Kirche wird recht viel vorgebracht. Zunächst an tagespolitischen Kritikpunkten, dazu gehören in letzter Zeit vor allem der Missbrauch vor allem von Jungs dazu:

 – Es hat sich inzwischen leider noch nicht herumgesprochen, dass die Missbräuche in der Kirche nicht stärker sind als in der sie umgebenden Gesellschaft, im Gegenteil.

– Es hat sich auch noch nicht herumgesprochen, dass diese zu einem Teil von der damals herrschenden Zeitströmung gefördert wurden, weil die Pädophilen sich aus ihrer Zurückgezogenheit dazu ermuntert sahen, herauszukommen. Das ist zum Beispiel sichtbar an der Stellung so manches Grünen zu der Frage, ob Pädophilie legalisiert werden solle oder nicht, da sie als eine normale Form der sexuellen Orientierung angesehen wurde (und in manchen Kulturen ja auch als eine solche angesehen wird). (1970 Gründung einer Gruppe, die für die Rechte der Pädophilen eintraten, unterstützt von vielen so genannten alternativen Gruppen.) Es sei dabei auch an die pädagogisch fortschrittliche Odenwaldschule erinnert und an die vielen Mitwisser um den britischen Journalisten und dem deutschen Schauspieler. (Und ich bin mir sicher, wenn man dem allen weiter nachgehen würde, würde noch so manches ans Licht kommen.) Damals wurde unter anderem auch aus diesem Grund der Kirche vorgeworfen, dass sie nicht mit der Zeit ginge, weil sie diese und andere sexuelle Freizügigkeiten abgelehnt und bekämpft hat.

Missbrauchs mag es auch in den vorangegangenen Jahrhunderten gegeben haben, so weiß man ja schließlich, dass gegen Verwahrlosungen von Klöstern immer wieder Reformen von Klöstern stattgefunden haben, denn der Mensch als Sünder ist nun einmal Fakt und schwarze Schafe gibt es in jeder Gruppe. Aber der Vorwurf des Missbrauchs wurde in der Zeit des Nationalsozialismus vielfach zu Propagandazwecken gegen die katholische Kirche verwendet. Wenn man Goebbels Tagebücher liest, begegnet das immer wieder. Die Frage stellt sich also immer wieder: Verbrechen müssen geahndet werden – aber wie wird das Verbrechen propagandistisch gegen eine ganze Gruppe, gegen eine Institution ausgenutzt?

– Ebenso hat sich noch nicht herumgesprochen, dass diese Frage nicht mit dem Thema Zölibat verquickt werden darf, da sich auch verheiratete Männer (und möglicherweise nur wenige Frauen) hier schuldig gemacht haben, eben auch evangelische und aus anderen Bereichen der Gesellschaft.

Das alles soll nicht die Tatsache als solche verharmlosen, wenn hier aufgezeigt wird, dass Menschen nicht nur in der Kirche und zeitbedingt schuldig geworden sind. Das Schlimme ist, dass Eltern den Kirchen junge Menschen anvertrauen und davon ausgehen, dass sie in diesem Raum geschützt sind. Die Schuld der Kirche als Ganze besteht mit darin, dass in einzelnen Fällen die Menschen, die schuldig geworden sind, nicht konsequenter aus dem Verkehr gezogen wurden. Vielleicht hat die Kirche auch zu lange gemeint, das Problem selbst in ihren Reihen bekämpfen zu können. Dass sie dann allerdings konsequent dagegen angegangen ist, das hat sich auch noch nicht herumgesprochen. Und jeder Widerstand – auch gegen ungerechte Geldforderungen – jede normale Diskussion mit irgendwelchen Beauftragten, die das untersuchen sollen, wird medial gegen die Kirche ausgeschlachtet. Warum? Ich enthalte mich einer soziopsychologischen Einordnung. Das heißt freilich, dass in diesem Zusammenhang auch auf Kosten der Opfer Propaganda getrieben wird bzw. sie dafür eingespannt werden. Und das halte ich für schlimm.

Ich bin gespannt, was noch alles ans Tageslicht kommen wird und hoffe, dass Kirche – auch bei anderen Vorkommnissen – auch gegen die Menschen aus ihren Reihen – Klartext reden wird. Wobei freilich – auch das ist für viele Antikirchler nicht zu begreifen – ein angemessenes Verhältnis zwischen Seelsorge und Öffentlichkeit gefunden werden muss. Denn nicht alles darf an die Öffentlichkeit gezerrt werden. Ich vermute, dass da noch gesamtgesellschaftlich gesehen einige Dinge im Dunkeln liegen. Das sollte aus eigenem Antrieb ans Tageslicht gebracht werden – nicht erst warten, bis es andere tun. Wobei die Aufdeckung der Missbrauchsfälle in Deutschland ja durch das Canisius-Kolleg ins Rollen gebracht wurde.

Kritik an der Kirche 2: Abtreibung

 Ein weiterer wesentlicher tagespolitischer Kritikgrund ist die Frage nach der Abtreibung, gefördert durch das Beispiel in Köln.

– Es hat sich noch nicht herumgesprochen, dass – wenn ich richtig informiert bin – die Pille danach schon von der einweisenden Notärztin verschrieben worden war.

– Es hat sich noch nicht herumgesprochen, dass – wenn ich richtig informiert bin – die betroffenen Krankenhäuser nicht zu den Häusern gehören, die eine Spurensicherung vornehmen dürfen.

Dennoch scheint mir das nicht das eigentliche Problem gewesen zu sein, sondern es geht darum, dass die katholische Kirche Abtreibung auch dann nicht erlaubt, wenn Frauen vergewaltigt worden sind. Warum nicht? Unser Gesetz erlaubt Abtreibungen nur in Notfällen, auch wenn sich bei vielen in der Gesellschaft die Meinung durchgesetzt hat, Abtreibung sei eine Art der Verhütung. Mit der Verschmelzung von Samenzelle und Eizelle beginnt das menschliche Leben – und darum steht bei einer Abtreibung immer ein Leben auf dem Spiel und die Kirche sieht sich als Lobby der Ungeborenen an. Und Abtreibungen sind, konsequent weiter gedacht, nur dann erlaubt, wenn das Leben der Mutter auf dem Spiel steht. Der Gesetzgeber sieht hier jedoch einen anderen Modus vor, wenn es eine Notlage als Argument mit in die Diskussion einführt, weil nicht nur das Leben der Mutter, sondern auch die Psyche der werdenden Mutter in den Fokus gerückt wird. Wobei die katholische Kirche ebenso die Psyche mit berücksichtigt – nur eben argumentativ auf einer anderen Ebene: Durch die Schwangerschaft verändert sich schon viel in der Frau – und ein Abbruch schadet ihr auch langfristig psychisch. Wie dem auch sei: Wir sehen, dass hier unterschiedliche Menschenbilder und Erfahrungen miteinander ringen. Und darum sollte es gehen: um Argumentation und nicht um Empörung.

Was das Thema Vergewaltigung und Pille danach betrifft, hat sich die Diskussion ja ein wenig dadurch entspannt, dass deutlich wird, dass die modernen Pillen den Eisprung hinauszögern, damit eine Befruchtung nicht stattfinden kann. Und wenn doch eine mögliche Befruchtung stattgefunden haben sollte, der Arzt verantwortlich über die weitere Vorgehensweise entscheiden sollte. (Was von Hardlinern freilich auch abgelehnt wird.)

Meine Frage ist jedoch immer wieder auch die: Tut unsere Gesellschaft genug gegen Vergewaltigungen? Werden Frauen/Mädchen und Jungs/Männer genug in dieser Hinsicht sensibilisiert? Gibt es – unabhängig von Männern anderer Kultur – bei uns noch versteckte Strukturen, die Vergewaltigungen fördern? Der Ruf nach Abtreibung ist leicht geschrien – der Versuch, Vergwaltigungen in einer Gesellschaft einzudämmen, kostet viel Kraft.

Wie stehe ich selbst dazu? Ich möchte ein Kind als Ausdruck der Liebe bzw. des freiwilligen Zusammenseins zweier Menschen sehen, darum denke ich, dass einer Vergewaltigungen dann eine Abtreibung folgen kann, wenn die Frau sich nicht in der Lage sieht, dem werdenden Menschen in sich Lebensraum zu geben. Freilich sehe ich die Problematik. Hier wie dort.

Kritik an Kirche 3: Verhütungsmittel

 Der dritte Kritikpunkt richtet sich gegen das Verbot von Verhütungsmitteln in der katholischen Kirche – ich muss sagen, dass ich evangelisch bin und einen anderen Standpunkt einnehme – dennoch nenne ich diese Argumente, weil ich der Empörungsmaschinerie entgegentreten möchte.

Die Grundlage dieses Verbotes besteht darin, dass Sexualität nur im Rahmen der Ehe stattfinden darf. Und in der Ehe benötigt man keine Verhütungsmittel. Nun wird dagegen eingewendet: Aber dann bekommen Frauen ja ununterbrochen Kinder. Sicher, aber nur wenn das Paar es will, denn es besteht ja bekanntlich die Möglichkeit, Zeugung weitgehend dadurch zu vermeiden, dass man nur in den Zeiten miteinander verkehrt, die eine Zeugung unwahrscheinlicher machen. Natürlich kann man sagen: Aber da werden die Leute ja gezwungen, enthaltsam zu leben! Menschen werden auch sonst häufig im Leben gezwungen, enthaltsam zu leben: Krankheiten, Unlust des Partners, räumliche Distanz aus beruflichen Gründen… Ein weiterer Punkt, der gegen die Verhütung eingebracht wird, ist der, dass nicht der verantwortliche Umgang miteinander im Vordergrund steht, sondern die Triebabfuhr. Gegen künstliche Verhütung (Pille) wird unter anderem eingewendet, dass sie nicht ungefährlich sei und dass Frauen, die diese genommen haben, nur noch eingeschränkt bzw. verspätet nach Absetzung Kinder bekommen könnten. Beides ist bekanntlich nicht ganz von der Hand zu weisen.

Eine Kritik, die mit dem Thema Verhütung zusammenhängt ist die, dass gesagt wird, dadurch würde in afrikanischen Ländern Aids eingedämmt werden. Dazu a) Wenn die Voraussetzung eingehalten wird: Kein Sex vor der Ehe, dann ist diese Gefahr auch nicht gegeben; b) Aids wird massiv durch Vergewaltigungen übertragen – und Vergewaltiger werden sich kaum Kondome überziehen; c) auch habe ich gelesen, dass Verhütung von vielen als kolonialer, rassistischer Druck zur Dezimierung der Schwarzen angesehen wird. d) So großen Einfluss hat die katholische Kirche in diesen Ländern auch nicht, dass die Menschen sich an ihre Vorgaben halten. Man kann also auch an dem Thema sehen, dass es nicht um Empörungen gehen sollte, sondern um Argumente. Denn man tut in den Medien immer so, als handele es sich mit dem Verhütungsverbot nur um alte dogmatische Vorgaben – aber es gibt, wie gesehen, Argumente. Ob sie stichhaltig sind oder nicht, das ergibt sich bei einem Austausch der Argumente und nicht bei einer Disqualifizierung des Gesprächspartners, bevor die Argumente ausgetauscht wurden. Ein weiterer Aspekt: Durch die Verhütungsmittel verhindert man freilich auch, dass Jugendliche zu früh ungewollt schwanger werden. Machen Erwachsene sich die Aufklärung dadurch nicht zu leicht? Vermeidet man dadurch nicht auch, Jugendliche zu Menschen zu erziehen, die auch in sexuellen Fragen Verantortung übernehmen können, sollen? Wenn Kinder/Jugendliche gut erzogen werden, nimmt man sie durch Auflegen von verantwortung auch in dieser Hinsicht nicht erst ernst? Oder hat das Denken: Hauptsache Spaß, oder: die schaffen es ja doch nicht im Grunde verhindert, Verantwortung zu verlangen? Sicher: Es ging schon immer etwas schief, so lange es Menschen mit Kultur gab. Vielleicht sollte jedoch dieser Aspekt „Verantwortung übernehmen“ wieder stärker in den Fokus gerückt werden?

Kritik an Kirche 4

 Neben den Kritiken zu dem Thema Sexualität, die in den vergangenen Tagen angesprochen wurden, gibt es Kritik, dass die Gottesdienstbesucher Heuchler seien: Sie gehen in den Gottesdienst, obwohl sie nicht glauben, sie ziehen sich schick an, nur um den anderen zu zeigen, was sie so haben und um Ansehen zu gewinnen.

An diesem Vorwurf sehen wir, wie lang sich alte Vorwürfe halten können, obgleich sie mit der Realität nichts mehr zu tun haben. Wer heute in unserem Land noch zur Kirche geht, der hat keine Profilierungssucht, sondern sucht neben Hilfestellung für den Alltag auch Gemeinschaft. So manche auch alte Menschen müssen sich von anderen Vorhaltungen machen lassen: Du gehst noch in die Kirche? Hast du am Sonntag nichts Besseres zu tun? Ich weiß nicht, aber es scheint so, dass diese Vorwürfe im Grunde nur der Stabilisierung des eigenen schlechten Gewissens dienen, und begründen sollen, warum man selbst nicht geht – vor allem aber auch andere davon abhalten sollen, in den Gottesdienst zu gehen, denn sonst setzen sie sich auch entsprechenden veralteten und banalen Vorwürfen aus. Darüber hinaus scheinen sie sich dem Mainstream anzupassen – also Mitläufertum zu sein – heute geht man nicht mehr in stolzierend die Kirche, darum hat man andere Zusammenkünfte, in denen man stolz seine Kleidung zeigen und Ansehen unter Gesinnungsgenossen gewinnen kann.

Aber diese alten unausrottbaren Vorwürfe haben Teil an den anderen uralten Vorwürfen, die ebenso keinen Anhaltspunkt mehr haben: Die Erde ist eine Scheibe – haben die dummen Christen behauptet und sind nicht davon abgewichen. Dieser Vorwurf kommt von den Aufklärern des 18. Jahrhunderts, um sich auch hier hochmütig von den Alten abzusetzen. Denn wie Forschungen zeigen, war diese Weltsicht schon lange vor der Aufklärung passe.

Dann wird der Vorwurf erhoben, dass die Kirche so lange brauchte, um das heliozentrische Weltbild anzuerkennen. Das stimmt so auch wieder nicht, denn Kirchenmenschen haben schon früh versucht, das Weltbild wissenschaftlich darzustellen, – sie konnten es nur nicht beweisen. Und auch der berühmt berüchtigte Galileo Galilei (+1642) konnte es nicht beweisen. Dann verhärtete sich die Sicht der katholischen Kirche gegen das heliozentrische Weltbild, das geozentrische Weltbild wurde dann aber 1757 wieder aufgehoben. Und wie lautet der Vorwurf gegen die Kirchen bis heute? Platte Erde – Sonne dreht sich um sie. Man muss schon eine gehörige Portion Unwissen mitbringen, um das zu vertreten – aber das hält sich bis in die Gegenwart hartnäckig. Übrigens: Heute ist es anders, da werden auch von kirchlicherseits wissenschaftliche Vermutungen einfach nachgeplappert, obgleich sie nicht bewiesen sind – nur um sich nicht irgendwie als Außenseiter darzustellen. In 100 Jahren wird man sagen: Schaut, wie doof die Kirche war, sie hat Vermutungen nachgeplappert, obgleich sie unbewiesen waren.

Nur eine Frage: Wer meiner Leser ist sich dessen bewusst, dass das heliozentrische Weltbild keine Relevanz mehr hat, seit man eben erkannte, dass das Sonnensystem nur ein minikleiner Teil einer der vielen Galaxien ist? Daran sieht man, wie sehr sich auch in dieser Hinsicht Traditionen halten. Übrigens auch in der Sprache: Die Sonne geht auf…

Kritik an Kirche 5: Veraltete Gottesdienste

 Ein weiterer immer wieder gehörter Kritikpunkt an der Kirche lautet: Die Gottesdienste sind veraltet.

Kirche hat eine Geschichte von 2000 Jahren. Kirche hat nicht nur eine Geschichte von 2000 Jahren, sondern die Menschen, die ihr zugehörten, bilden mit den Lebenden diese Geschichte. Verstorbene wie gegenwärtige Generationen bilden eine Einheit, von daher hat Kirche ein ganz anderes Geschichtsbewusstsein als der normal landläufige Mensch, der nur in der Gegenwart lebt. Von daher haben wir eben Psalmen und andere alttestamentliche Texte (Hebräische Zeit), neutestamentliche Texte (Griechische Zeit), und Lieder usw. aus dem Mittelalter bis in die Gegenwart. Diese Texte beinhalten das Gedächtnis der Menschheitsgeschichte im Westen. Menschen wurden von Schicksalsschlägen verfolgt, fanden Trost, Hilfestellung usw. – und das wird in diesen Texten deutlich – und sie können heute noch Hilfestellung sein, wenn man nicht zu sehr auf seine eigene Zeit fixiert ist, denn in seinem emotionalen Haushalt hat sich der Mensch nicht verändert. Auch die Liturgie – in katholischen Kirchen strenger als in evangelischen – dienen ja nicht nur dem Spaß oder Unspaß, sondern haben die Bedeutung, dass der Gottesdienstbesucher, woher er auch kommt, sich in der neuen Gemeinde heimisch fühlt – allein vom geregelten Ablauf her. Er kann mitmachen – auch wenn er kein Wort versteht und fühlt sich sofort wie zu Hause.

Der Vorwurf, dass die Gottesdienste veraltet seien, ist auch wieder so pauschal, dass man schon Zweifel an dem hat, der ihn äußert. Warum? Es gibt normale Gottesdienste, Familiengottesdienste, Jugendgottesdienste, ökumenische Gottesdienste, Tiergottesdienste… – und dann gibt es Gottesdienste von christlichen Gruppen, die ganz anders, vollkommen anders ablaufen, so die der charismatischen Gemeinden. Menschen müssen nur die Augen öffnen, um die Vielfalt der Gottesdienste wahrzunehmen. Darüber hinaus gibt es freilich auch Fernsehgottesdienste und das Internet wimmelt nur so von Gottesdienst-Wiedergaben.

Ja, aber, das sind alles noch Gottesdienste, kann man sagen, und Gottesdienste als solche sind veraltet. Damit versteht man wieder nicht das, was die Kirche in ihrem Innersten zusammenhält: Der Glaube an Gott in Jesus Christus. Dieser Glaube ist es, der Menschen für den Alltag zurüstet, den Alltag des Dienstes und der Hilfe. Man möchte am liebsten zurückfragen: Wenn du Gottesdienste für unwichtig hältst und die tätige Menschenliebe für wichtiger ansiehst: Tust du etwas für den Menschen über das Normalmaß des freundlichen Umgangs hinaus? Beten und arbeiten – das ist für Christen eine Einheit, wenn sie ihren Glauben ernst nehmen. Dass sie vielfach Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen von Menschen, die alles besser wissen und alles besser machen könnten, gehört natürlich dazu. Es wäre nur schön, wenn die Besserwisser es auch sichtbar besser machen würden und nicht nur ihre Schlauheit vor sich hertragen würden. An das, was Klöster und von Herzen Glaubende bislang an guten Taten in der Menschheitsgeschichte getan haben, eben weil sie auch durch das Gebet mit Gott in Beziehung standen, das soll erst einmal eine andere Gruppe nachmachen.

Ich finde in dieser Hinsicht das Buch 24 Stunden im Leben der katholischen Kirche sehr aufschlussreich. Vietnam, Israel, Polen Jamaika… beginnt der Tag mit Gebet ab 4:00 Uhr – und dann finden wir Bilder aus aller Welt: Schulen werden geleitet, Nahrungsmittelverteilung, Pflegebedürftige werden gewaschen, Sterbende begleitet, Behinderte liebevoll betreut, Sünden werden gebeichtet und vergeben – das heißt, Menschen werden für ihr Leben wieder gestärkt, Nahrungsmittel werden hergestellt, Gemeinschaft wird geschenkt. Immer wieder gehört dann auch dazu: Bibellesen und Gebet – also die spirituelle Seite des Lebens. Diese beiden Säulen sind das Leben der Kirche. Fällt eine weg, kann Kirche nicht mehr existieren.

Kritik an Kirche 6: HIKS

Weitere Vorwürfe an die Kirchen sind zusammenzufassen unter HIKS: Hexenverbrennung, Inquisition, Kreuzzüge, Sklaverei. Zu den jeweiligen Punkten habe ich im Blog immer wieder schon intensiv etwas geschrieben, von daher hier nur ganz kurz. Im Blog sind die Beiträge über das Suchfeld links unten zu finden.

Hexenverbrennung: Hexen (Frauen, Männer, Kinder) zu verbrennen und zu foltern, ist keine Spezialität der Kirche, sondern ist weltweit bis in die Gegenwart zu finden. Warum? Hexen, Magier und ähnliche gelten als die Menschen, die fähig sind, die Welt zu gestalten. Sie können Hunger und gute Ernten kommen lassen, sie können Gesundheit und Epidemien bzw. Krankheiten kommen lassen. Hexen/Magier sind die Macher, sind diejenigen, die Gewalt und Macht haben. Und wenn es schlimm läuft (Hunger, Kälte, Epidemien), dann sind sie diejenigen, die das nicht verhindert haben. Und der Zorn des Volkes entlädt sich auf diese. Und so ist auch in unseren Breiten sichtbar, dass die Hexenverfolgung überwiegend im Übergang von kirchlicher zu staatlicher Rechtsprechung stattgefunden haben (und auch Priester waren unter den Opfern). Das Problem ist, dass Menschen der Kirche diesem Horror Vorschub geleistet haben, dass sie mitgemacht und forciert haben. Es handelt sich also um ein gesamtgesellschaftliches Problem, gegen das sich Menschen der Kirche nicht massiver aufgelehnt haben – einige schon, und die sind heute ja auch berühmt, wie in diesem Zusammenhang Spee. Ganz wenige haben sich nicht dem Zeitgeist angepasst, sondern sind mutig gegen diesen Wahn aufgestanden. Zu wenig. Und vor allem auch: Zu wenig, die Macht hatten. Dass das Hexenproblem heute allein den Kirchen in die Schuhe geschoben wird und nicht unseren Vorfahren insgesamt, das hängt wieder mit dem zusammen, was wir schon hatten: Die glorreiche Zeit der Aufklärung wollte sich vom finsteren Mittelalter der Kirchen abgrenzen. Übrigens: Wenn es manchen hysterisierten Menschen möglich wäre, würden sie sicher auch heute in unseren Breiten noch begeistert dabei sein, wenn Menschen hingerichtet werden.

Inquisition: Die Inquisition betraf im Wesentlichen nicht den Normalbürger, sondern Menschen der Kirche, die eine andere Lehre als die offizielle Lehre vertreten haben. Das macht die Sache aus heutiger Sicht freilich nicht besser. Aber aus der damaligern Sicht war es eine Verbesserung der Justiz. Warum? Weil es darauf ankam, nicht mehr nur einen Menschen zu bestrafen, sondern es galt herauszufinden, ob er schuldig oder unschuldig ist – und das eben mit Hilfe von Befragungen. Dass Folter darunter fiel, ist aus heutiger Sicht sehr schlimm, aber die guten Menschen sind damals nicht so vom Himmel gefallen – wie sie es heute tun. Heute sind wir alle rein, freundlich, unschuldig und gut, hegen auch eine solche Gesinnung. Entschuldigt die Ironie. Aber wenn wir die Grausamkeiten in unserem Land ansehen, und keiner tut etwas dagegen, weil es keiner sehen will, dann kann man nur sarkastisch werden, wenn sich Zeitgenossen über die Vorfahren überheben. Zurück zum Thema: Es galt eben, die Lehre rein zu halten. Warum? Das Gottesbild war sehr stark von dem alten Geist geprägt: Götter strafen – und auch Gott straft, wenn wir uns falsch verhalten oder falschen Lehren Vorschub geben (in der Antike: falsch Opfern, Vorzeichen nicht beachten usw.) mit Pest, Krieg usw. Das neue Testament kam kaum mehr zu Wort. Es war der alte Mensch mit seinem Machtgelüste, seinen Ängsten, seinem Wahn – und das ist bis heute gefährlich, wenn ganze Gruppen irgendeinem Wahn verfallen.

Kreuzzüge: Das oströmische Reich, Byzanz, stand durch die anrennenden muslimischen Armeen unter Druck und bat den Papst um Hilfe. Der Papst hatte keine Armee. Und so musste er die weltlichen Armeen zu Hilfe rufen. Das hätte keinen Erfolg gehabt, wenn er gesagt hätte: Rettet Byzanz, sondern es half, zu sagen: Befreit die heilige Stadt Jerusalem von den Heiden (oder den Ketzern – als die die Muslime angesehen worden waren). Das animierte die Menschen. Warum Jerusalem? Wenn die Heere in den Süden geleitet werden, werden sie ebenfalls von den Grenzen Byzanz abgelenkt. Ein bisschen militärisch taktisch klug haben die Leute damals schon gedacht. Zum anderen hat der Papst noch etwas damit erreicht: Die alten Vöker haben aufsässige junge Männer, die die Gesellschaft durch Raubereien, Vergewaltigungen und Überfallen verunsicherten, auf Schiffe gesetzt und Kolonien gründen lassen. Das konnte der Papst nicht tun, wurde sie aber auf diese Weise los. Man muss auch daran denken, dass es so etwas wie eine Staatsmacht, die das Recht durchsetzt, nicht gab. Der Vorwurf, ohne Religion gäbe es keine Kriege, zeigt nur das Unwissen dessen auf, der das behauptet. Alexander der Große, Perser… – Kriege wegen Religion? Mongolen, Chinesen, Japaner führten Kriege wegen Religion? Römer führten Kriege wegen Religion? Die vielen Stammeskriege überall auf der Welt: wegen Religion? Nationalsozialismus, Kommunismus, Kapitalismus – Kriege wegen Religion? An diesem Vorwurf sieht man besonders deutlich, wie sehr diese Themen dazu verwendet werden, Unwissende gegen Religionen einzunehmen. Natürlich gab es auch Kriege, die religiös begründet wurden, und es gab Kriege wegen der Religion. Aber diese haben nur Teil an der Aggressivität des Menschen. Manche Religionen fördern Kriege, das ist klar und muss hier nicht weiter vertieft werden.

Sklaverei: Sklaverei ist so alt wie die Menschheit. Denn Sklaven haben, bedeutete Reichtum und Macht. Frühe Christen haben Sklaven und Herren auf einer Ebene gesehen, konnten jedoch als die paar Anhänger Jesu gegen Sklaverei nichts unternehmen, weil das als Aufruhr angesehen worden wäre. Ihr Kampf gegen die Sklaverei bestand eben darin, Herren und Sklaven für gleich zu erklären, sie auf eine Ebene zu stellen. Christen kamen an die Macht – es waren Zeiten des Übergangs. Im Mittelalter schon wurde die Sklaverei verboten – freilich dann auch wieder erlaubt, weil die islamischen Sklavenzüge sozusagen diese Rache zur Folge hatten: Wenn die unsere Leute versklaven, versklaven wir sie auch. (Ob es den Leibeigenen besser ging als den Sklaven, ist freilich eine andere Frage.) Sklaverei im großen Stil wurde aber erst dann populär, als es um Wirtschaftsfragen ging. Das hatte mit dem christlichen Glauben nichts zu tun, sondern mit dem Geiz einzelner, die sich dem christlichen Glauben zugerechnet haben und eben dem Machtwillen ganzer Nationen, die christlich waren (z.B. Spanien). Christen waren es dann jedoch, die sich massiv gegen die Sklaverei eingesetzt haben (z.B. Wilberforce). Und wie sieht es heute aus? Pro Familie schuften ca. 20 Menschen als Sklaven, um unseren mitteleuropäischen Wohlstand zu erhalten. Was machen wir dagegen? Wissen es manche überhaupt?

An diesen Themen zeigt sich vielfach: Wenn wir mit dem Finger auf unsere Vorfahren zeigen, zeigen drei Finger zurück. Wir sind nicht unschuldig – und kommende Generationen werden uns bitterböse Vorwürfe machen. Man spricht auch von struktureller Schuld – also Schuld, in die man eingebunden ist, ohne sie direkt wahrzunehmen bzw. gegen die man nur mit äußerster Anstrengung etwas tun kann, weil die Strukturen der Gesellschaftssysteme diese fördern. Das sind wirklich eine Entschuldigungen der Vorfahren. Viele sind schuldig geworden. Auch die Herren der Kirche. Aber wir machen es uns zu leicht, wenn wir einfach auf die anderen zeigen.