1. Adventszeit

Adventszeit.
Zeit der Dunkelheit.
Zeit, in der wir Menschen versuchen, die Welt zu erhellen:
Zeit mit Lichtern, mit Hoffnung, mit Erwartung, mit Regsamkeit, dem Denken an andere.

Adventszeit.
Zeit der Hoffnung.
Zeit, in der wir Menschen sehnsüchtig den Neu-Schöpfer erwarten:
Zeit mit Gebet, mit Lauschen auf Gottes Wort, Musik in uns, Betrachten von Kerzen, Lieben.

Adventszeit.
Zeit des sanften Trotzes, des Widerstandes gegen Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit.
Aufgeben? Niemals!
Herr Jesus Christus, komm, hilf!

2. Stall

Gott wurde Mensch.
Im Stall.
Im Stall
wurde Mensch,
den die Welt nicht fassen kann.
Im Stall
dreckig
kalt.

Ein Stall
dreckig
kalt
mein Herz.
Werde Mensch im Herzen,
Gott.
Gott
wurde Mensch im Herzen.

3. Stille des Stalls

Den Lärm der Stadt hinter sich lassen.
Den Trubel der Straßen verlassen.
Eintauchen in die Stille des Stalls,
eintauchen in den Geruch von Tier, Erde, Stroh,
in die Geräusche der schimmernden Nacht,
eintauchen in die pulsierende Wärme, den Atem der Tiere.

Mit Herzklopfen Gott erwarten,
in der Stille des Herzens.
Gott erwarten, der den Raum
unermesslich weitet –
Lobpreis, Herrlichkeit, Licht, Gott selbst
in der jubelnden Stille des Herzens.

4. Griff der Vernunft

Der harte Griff der Vernunft
möchte jeden zarten Gedanken
fest in den Griff bekommen.

Der zarte Gedanke
enttanzt fröhlich duftend
dem festen Griff,
betört die Vernunft.
Sie ist ratlos, glücklich.

5. Christenleben

Auch Christen müssen sich immer wieder daran erinnern:
Ich gehöre Jesus Christus.
Ich bin in seiner Hand geborgen.
Seine Liebe stärkt meinen Mut.
Seine Freude ist meine Kraft.

Der Alltag treibt sie immer wieder weg:
Ängste machen sich breit,
Übles nimmt den Raum ein.
Zorn wie Ratlosigkeit verkrampfen und blenden.
Gleichgültiges Gewöhnen gähnt lautstark.

Jesus lehrt beten um den Geist gegen die Plagegeister:
Den Geist des Friedens und der Liebe,
den Geist der Hoffnung und des Segens,
den Geist der Reinheit, des Vertrauens,
den Geist unseres Gottes. Amen.

6. Liebe – Glaube – Herrlichkeit

Der Mensch kann lieben –
ohne über die Liebe nachzudenken.
Der Mensch kann über die Liebe nachdenken –
ohne zu lieben.
Kann der Mensch Liebe, wirklich Liebe, verstehen –
ohne geliebt zu haben?

Der Mensch kann glauben –
ohne über den Glauben nachzudenken.
Der Mensch kann über den Glauben nachdenken –
ohne zu glauben.
Kann der Mensch Glauben, wirklich Glauben, verstehen –
ohne je geglaubt zu haben?

Der Mensch kann die Herrlichkeit Gottes wahrnehmen –
ohne je über die Herrlichkeit Gottes nachgedacht zu haben.
Der Mensch kann über die Herrlichkeit Gottes nachdenken –
ohne sie jemals wahrgenommen zu haben.

Kann der Mensch die Herrlichkeit Gottes beschreiben –
obgleich er von ihr durchglüht, umspült, durchsungen, durchlichtet wurde?

8. Unterliegen

Mensch, lerne unterliegen.
Mensch, lerne einstecken und ertragen.
Mensch, lerne widerstehen,
sonst wirst du untergehen.

Mensch, lerne Gott kennen:
dein Aufrichter, deine Stärke in Niederlagen,
dein Anker, deine Brücke, dein Boot.
Lerne unterliegen
um zu siegen.

9. Durch den Tag

In deinem Geist,
in deiner Kraft,
geh ich, mein Gott,
durch diesen Tag.

10. Angst

Angst vor Schönheit –
ihre Zerstörung.
Angst vor Wahrheit –
ihre Verspottung.
Angst vor Menschen Gottes –
ihre Erniedrigung.

Angst vor Christusbegegnung –
seine Verneinung.
Angst vor Gott –
eigene Selbstüberhöhung.
Angst vor Ewigkeit –
eigene Selbstzerstörung.

Angst vor Liebe, wahre Liebe –
verzweifelte Flucht.

11. Auferstehung


Auferstehung –
Du lachst ungläubig.

Auferstehung –
ich lache freudig.

Jesus Christ
auch im Tod unser Leben ist.

12. Angst

Wer Angst hat, ist schon besiegt.
Angststress macht kopflos und hektisch.
Angst lähmt, vermehrt lähmende Angst.

Wer keine Angst hat, ist schon besiegt.
Angstlos, tollkühnes Rennen in den Rachen.
Angstlos über allem stehen, besiegt von Gleichgültigkeit.

Keine Angst, aber Angst. In Angst, aber keine Angst.
Miteinander. Einander stärken und halten. In der Angst.
Miteinander. Einander ermutigen und aufstehen. Gegen die Angst.

Bleib bei uns, Herr!
Es will Angst uns werden,
der Mut hat sich geneigt.
Bleib bei uns, Herr!
Es wird Mut von Dir uns werden
der unsere Angst vertreibt.

13. Ich nicht Ich

Ich bin nicht Frau,
ich bin nicht Mann,
ich bin ich.
Ich bin nicht Mensch,
ich bin nicht Tier,
ich bin ich.
Ich bin nicht Leben,
ich bin nicht Ding,
ich bin ich.
Ich bin wer ich bin,
wer ich bin, bin ich nicht,
ich bin ich.
Ich bin nicht Gott,
Gott bin ich.
Ich – nicht ich.

13. Kerzen-anzünd-Ritus

Jesus Christ
Du bist das Licht,
das die Welt erhellt,
das die Welt erhält.

14. Gott sucht

Gott sucht dich –
ich suche Gott nicht.
Gott spricht zu dir –
ich höre aber nicht zu.
Gott liebt dich –
ich liebe Gott nicht.
Du bist Gott nicht egal –
aber Gott ist mir egal.
Gott ist für dich unwichtig –
aber du bist nicht unwichtig für Gott.
Gott hält dich –
ich falle lieber.
Wirklich?

15. Aus Liebe

Jesus bat seine Jünger:
Wachet und betet mit mir.

In meinem Leiden
leidet Jesus mit mir.
Aus großer, tiefer Liebe zu mir.

In Deinem Leiden, Jesus,
leide ich mit Dir.
Ich will es versuchen:
aus Liebe zu Dir.

16. Schmerz

Ich bin der Schmerz.
Der Schmerz bin ich.

Da passt Gott nicht dazwischen.
Da passt ein Mensch nicht dazwischen.

Vorher darf ich wissen: Gott, du hältst mich.
Nachher darf ich wissen: Gott, du hast mich gehalten.

Du bist mir nah.
Näher als der Schmerz.

17. Helfen

Helfen – spenden, so gut ein Mensch kann.
Helfen – tatkräftig anpacken, so gut ein Mensch kann.
Helfen – andere ermuntern und ermutigen: spende, pack an!
Helfen – Leidenden Hoffnung, Zukunft öffnen durch Glauben und Liebe.
Helfen – für andere da sein, Geborgenheit, Nähe schenken.
Helfen – in Stille, im Gebet.

18. Finsterste Nächte (Gebetsgedicht)

Überall wo Christen
Christus verraten, ist finsterste Nacht:

Mafia – finsterste Nacht.
Kriege – finsterste Nacht.
Sklaverei – finsterste Nacht. 
Ausbeutung – finsterste Nacht.
Nationalismus – finsterste Nacht.
Kommunismus – finsterste Nacht.
Nationalsozialismus – finsterste Nacht.
Missbrauchte Religion – finsterste Nacht.
Lüge, Propaganda, Betrug – finsterste Nacht.

Die Schöpfung Gottes wird missachtet.
Christus wird verraten.
Menschen werden allein gelassen.
Christus wird verraten.
Menschen werden erniedrigt.
Christus wird verraten. 
Menschen wird die frohe Botschaft vorenthalten.
Christus wird verraten.

Durch uns?

Christus wird verraten.
Aber er lässt sich nicht unterkriegen.
Er führt den Tag herbei.
Bis dahin:
In all den finstersten Nächten
kleine mutige Lichter.
Amen.

19. Aus Liebe

Jesus hat gelitten für uns.
Jesus hat gelitten aus Liebe.
Jesus leidet mit uns.
Jesus leidet mit uns – aus Liebe.

Jesus leidet mit uns aus Liebe.
Wir leiden mit Jesus – im anderen.
Wir leiden mit Jesus – seinem Leiden.
Wir leiden mit Jesus – aus Liebe zu ihm.

20. Das letzte Wort

Das letzte Wort

Wir dürfen dem Bösen und den Gefährlichen nicht das letzte Wort überlassen –
darum reden und wirken wir zum Guten.

Wir dürfen der Friedlosigkeit und Heimatlosigkeit nicht das letzte Wort überlassen –
darum reden und wirken wir zum Seele umfassenden Frieden.

Wir dürfen der Hoffnungslosigkeit nicht das letzte Wort überlassen –
darum reden und wirken wir selbst unter Zweifel auf Hoffnung hin.

Wir dürfen den schwarzen Ruinen nicht das letzte Wort überlassen –
darum reden wir von der Schönheit des Verletzlichen, verletzt aber neu aufblühend.

Wir dürfen dem Zorn, dem Hass, der Trennung, der Kälte nicht das letzte Wort überlassen –
darum reden und wirken wir, wenngleich aufgebracht, gegen Zorn und Hass für Gemeinschaft.

Wir dürfen der Traurigkeit und Resignation nicht das letzte Wort überlassen –
darum reden wir mutig, wenn auch unter Tränen, für die Freude,
leben die Traurigkeit in der Melodie und den Farben der Freude.

21. Palmsonntag

Mit Verehrung und machtvollen Erwartungen haben manche Menschen Jesus in Jerusalem empfangen.
Ohne zu ahnen, dass er bis zum nächsten Wochenende als Lamm Gottes (Agnus Dei) die Sünden der Welt tragen wird.

*

Auf einem Esel reitet er – nicht auf einem Pferd.
Nicht hoch zu Ross, sondern auf bockigem Esel.

Empfangen von einer kleinen Schar Begeisterter.
Große Hoffnungen liegen auf ihm: Freiheit Gottes.

Er wird sie bringen – aber anders als erwartet:
Freiheit durch enge Gemeinschaft mit Gott.

Gottes Macht zeigt sich durch das Leiden hindurch:
Vor der Auferstehung in Macht steht das Kreuzesleiden.

22. Weihnachten

Wer will, besinge das Dunkel,
die Nacht, die Not, den Tod.

Ich will besingen
Die Kraft im Dunkel,
das Licht in der Nacht,
die Hoffnung in Not,
das Leben, den Trost im Tod –
Dich, Jesus, Mensch gewordener Gott.

23. Ostern

Wer will besinge den Tod
Akzeptiere die Atomisierung.

Ich akzeptiere den Lebendigen,
ich besinge mein Leben:

Jesus Christus.

24. Abenteuer

Gehen im Gestrüpp des Waldes.
Abseits des Weges. Springend im Sumpf.
Spannend. Am Anfang. Und lustig.
Dornen, Wassern, Erdlöchern ausweichend.
Manchmal fangen sie, bringen zu Fall.
Spinnweben umwabern, Insekten umlauern.
Es steigt aus der Tiefe die Sehnsucht,
geleugnet zuvor, überhört zuvor,
nach dem Weg. Dem guten Weg.
*
Im Johannesevangelium sagt Jesus: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

25. Wir sprechen modern

Wir sprechen modern.
Wir sprechen Philosophisch.
Wir reden abstrakt.

Jesus sagte: Sieh, die Spatzen.
Jesus sagte: Sieh den Mohn, die Lilien.
Er sprach vom Weizen, vom Wein, vom Fisch.

So tragen wir die Natur im Herzen, ihr Gleichnis für Gott.
Die Abstraktion bewegt sich hoch schraubend im Kopf.
Abstraktion und Schöpfung leben in der Seele.

26. Wir fragen uns

Als Jesus in Gethsemane betete,
schliefen sie alle. Die Jünger schliefen.
Woher wissen wir?, so fragen wir,
was betete Jesus? Woher wissen wir, was?
Die Jünger schliefen. Dreimal fest.
Es schliefen nicht die schrillen Grillen.
Der Lufthauch in den Olivenblättern schlief nicht.
Die Olivenbäume auch. Sie waren Zeugen.
Heutiger alter Bäume Eltern waren es.
Die Vögel der Nacht lauschten. Seltsame Worte.
Die Käfer, die an die Pflanzen prallten, an sein Gewand,
Ja, ja, ja. Aber woher wissen wir?
Von Menschen, die ihnen zuhören konnten?

27. Brot und Wein

In Brot und Wein,
geballte Sonne, Luft, Sturm, Ruhe,
Gezwitscher, Gesumm, Hitze-Geflirr.
Brot und Wein,
Himmelsweite, Gott ist – da in mir.

28. Retten

Sie sang:
Du kannst nicht anderer Leben retten.
Versuche,
Dein eigenes Leben zu retten.
Versuche es,
bevor die Dunkelheit es ergreift.
Versuche,
anderen mit dem Licht zu leuchten.
Sie sang:
Sie stellen ihr Leben in Gottes Licht.

29. Auferstehung

Auferstehung – wie fremd!
Der Gedanke daran zieht mich runter
in die Tiefe: Auferstehung – nicht zu fassen.

Aber das duftende Licht der neuen Welt
dringt ein in die verschlossenen Fenster,
in die dunklen Räume meines Lebens.

Das fremde Licht der Auferstehung, Gott, licht,
der Duft des Lebens belebt, durchdringt
unverständlich wunderbar nah, dicht.

30. Zwischen

Hier leben wir nun:
zwischen Mensch und Tier,
zwischen Himmel und Erde,
zwischen Trieb und Hirn,
zwischen Materie und Geist,
zwischen Vergangenheit und Zukunft,
zwischen Bangen und Hoffen,
zwischen Raubtier und Opfer,
zwischen Leben und Tod
zwischen Lärm und Stille.
Hier leben wir nun im Zwischen.
Aber: Wie? Wo? Warum? Wozu?
Wozu, Gott, wozu?

31. Angststürme

Erlebte Angststürme,
erlittene Schmerzstürme,
kletten sich fest in unser Leben.

Die Rettung im Sturm,
der Retter im Sturm,
verweht mit den Stürmen.

Den Menschen im Neuen Testament
war der Retter wichtiger als der Sturm –
er stürmte in ihr Leben und
klettete sich in ihrem Leben fest.

32. Selbstwertgefühl

Manchmal ist es besser, nicht auf das eigene Gefühl zu achten,
sondern sich aus der Perspektive der Menschen zu betrachten,
die mich lieben, mögen, mit mir zu tun haben, weil ich ich bin.

Wenn mich keiner mag, weil ich ich bin?
Mein Schöpfer, der für mich gestorben ist,
liebt mich und setzt mich auf den Zukunftsweg.

Damit ich ihn auf dem Weg kennenlerne,
seine helfende Hand spüre,
seine tröstenden Worte höre,
seine lichtvolle Schönheit sehe,
seine kräftigende Nähe schmecke.

33. Mensch

Kleine Zusammenballung
liebender, denkender, glaubender Atome –
der sehnsüchtige Mensch.