Christen sind Heilige – so unsere kirchliche Tradition seit Paulus.

Heilig sein bedeutet:

Gott gehören, sich bewusst sein, dass man zu Gott in Jesus Christus gehört und sich entsprechend nach Gottes Willen verhalten, sich von Gott die Gesinnung verändern und den Verstand und das Herz erneuern lassen.

Durch Jesus Christus wurden wir Heilige.

Wir sollen werden, die wir sind.

Menschen, die heilig sind, streben nach Heiligkeit, nach Reinheit, nach Vollkommenheit.

Wasser muss immer in Bewegung sein, sonst stirbt es ab, veralgt, wird ungenießbar.

So auch Heiligkeit: Sich von Gottes Geist in Bewegung halten lassen, in Gebet, Bibellesen, Liebe zum anderen. Sonst stirbt sie ab, veralgt, wird ungenießbar.

Gott segne uns, dass wir nach Heiligkeit streben, weil wir uns bewusst sind, dass wir Gott gehören.

Gott segne uns, dass wir uns von Gott verändern lassen, denn wenn wir es selbst tun, werden wir nur sonderbare Heilige. Die sind manchmal auch veralgt und ungenießbar.

In Jesus Christus sind Glaubende heilig.

Nicht auf sich selbst schauen, penibel die eigene Heiligkeit fokussieren, sondern dankbar auf den schauen, in dem wir sind. (2014)

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In die seelische Dunkelheit, Armut und Einsamkeit – ein Licht zaubern,
Vorstellungen hervorzaubern von etwas Schönem, Gutem, Buntem, etwas Herrlichem,
das die Seele heraushebt aus dem Verhaftetsein an dem Körper,
das sie löst von den Fesseln, den Ängsten, dem Bleischweren.

Unser christlicher Glaube bietet einen so großen Reichtum an stärkenden Bildern:
Der gute Hirte, der frische Quell in der Wüste,
die Stillung des Sturms durch Anwesenheit Jesu, seine heilende Hand,
die Edelsteinstadt Gottes…

Und der Schöpfer hat uns schöne Bilder geschenkt, Erinnerungen, Erwartungen,
Heilung, Freude, Blumen, Wasser, Berge, Meer, Himmel, Tiere, Menschen.
Die Gedanken können hinausgehen aus der Enge und sich in die Fülle ergießen.

Das, obgleich man mitten im Leben steht –
das ist die Mitte des Lebens,
Gottes-Kraft für die Bewältigung des Lebens.

Und das schönste Bild?
Gott wurde in einem Säugling Mensch.
Einer von uns in dunkler Zeit.
Licht in Finsternis.
Menschlichkeit in unmenschlichen Jahren.
Heiland in heilloser Verwirrung.

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Manchmal ist es schlecht, wenn man von oben, aus der Distanz, keine Übersicht über sein Leben hat. Dann wüsste man, dass manche Probleme schnell überwunden sind. Wenn man im Schlammassel drinsteckt, dann krabbelt man sich die Füße und die Seele wund – kein Ende der Wirrungen in Sicht.

Manchmal wünschte man sich nicht unbedingt die Flügel der Morgenröte, aber doch Flügelchen, sodass man hinaufsteigen kann, um ein wenig die Übersicht zu bekommen. Doch es hilft nichts als sich durchzuwühlen, durchzukrabbeln, unermüdlich.

Manchmal gelingt es einem Menschen, mit Hilfe des Geistes Gottes von Zuversicht und Wohlgefühl durchströmt, diese Wirrungen und Schwierigkeiten als etwas anzusehen, das uns nicht von Gott trennt – sondern nur eines vermag: Uns näher zu Gott hinführen. Sie fühlen sich darum von Gott, wie auf Adlers Fittichen getragen. (2015)

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Werk vollenden

Der Apostel Paulus schreibt seiner Gemeinde in Philippi:
Gott wird an euch vollenden das Werk, das er begonnen hat.

Gott will an uns vollenden, was er mit und an uns begonnen hat.
Er hat sein Werk mit uns begonnen mit der Taufe.
Er hat sein Werk begonnen mit uns, beim Hören seines Wortes.

Lasse ich Gott sein Werk an mir vollenden, das er begonnen hat?
Oder laufe ich im Leben umher – als Gottes nie vollendetes Werk?
Unfertig, Fragment, ohne Hoffnung darauf, dass Gott einmal vollenden wird?

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Neues Testament

Das Neue Testament ist ein Hoffnungsbuch. Es macht Menschen Mut in dem von Übeln geprägten Alltag zu leben. Und zur Zeit der Entstehung des Neuen Testaments ging es nicht nur um vermisste Schlüssel oder sowas, sondern wie heute noch überall in der Welt: um Hunger, Willkür, Rechtlosigkeit, Sklaverei usw.

Und auch die Ethik ist eine Hoffnungsethik: In all dem ethischen Chaos gibt es eine Richtung vor: Liebe und Achtung sind dem Nächsten entgegenzubringen. Auch in Fragen der Sexualität darf Ausbeutung keine Rolle spielen. Reichtum darf nicht gehortet werden, sondern muss verantwortlich gehandhabt werden. Hierarchische Gewalt hat seine Grenzen – und muss sich als dienend ansehen usw.

Es ist ein Hoffnungsbuch:

Gott möchte, dass Menschen nach einer anderen Regel leben als sie es bislang untereinander kennengelernt haben. Und dass es nicht naiv ist, darauf weisen all die Stellen, die davon sprechen, dass Menschen gegen diese neue Lebensweise gewalttätig vorgehen.

Aber Gottes Wille/seine Liebe birgt die Menschen, die unter die Räder kommen. Vertröstung? Für den, der Gott nicht kennt/kennen will, sicher. Aber für den, der um Gottes Existenz weiß, nicht.

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Gleichnisse

Gleichnisse Jesu,
Irdisches, durchweht vom Ewigen.
Der Dichter Jesus,
gute Schöpfung strahlt im Alltag –
im Alltag, im Alltag leuchtet sie auf,
die gegenwärtige Zukunft Gottes,
seine mahnende Menschenliebe.

Senfkorn und Sauerteig, Perle und Acker-Schatz,
durchdrungen, durchglänzt vom Gottesreich.
Kamel, Weinschlauch, Flicken, Haus auf Stein:
Mensch, werde neu!
Licht und Salz, Mahlzeit, hundertfach tragendes Korn –
Gott drängt im Menschen.
Kleider, Fischnetz, Öllämpchen, Feigenbaum –
Mensch, es ist ernst!
Die Lilie auf dem Feld und das Gras –
Gottes vergängliche dennoch wunderbare Schöpfung.
Quelle, Weinstock, Tür, Hirte, Weg, das Leben –
Leben in Vollkommenheit.
Sein Wort – Gottes Wort,
durchdringt Seele, Herz, Verstand, Vernunft.

Brot.
Wein.
Wasser.
Nacht
 der Nächte.
Morgen, strahlender als die Sonne!
Jesus Christus.

Feuer.
Wind.
Wasser.
Freude
, große Freude.
Das Neue – Neugeburt!
Gottes Geist.

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Auferstehung

Wenn der Tod alles bestimmt,
dann wird das Leben vielfach hektisch – und manche beginnen, andere zu zwingen.

Wenn der Tod alles bestimmt,
wird in manchen das Gefühl der Sinnlosigkeit allen Tuns sehr stark.

Jesus Christus spricht (Johannes-Evangelium 11,25-26):
„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?“

Vom ewigen Leben zu wissen, muss nicht hektisch machen.
Das zu wissen, lässt dem Sinn des Lebens großen Raum.

Nicht der Tod bestimmt.
Das Leben bestimmt,
besiegt den Tod – auch im Leben.

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Psalm 77

Ich rufe zu Gott, ich schreie um Hilfe,
in Notzeiten suche ich Gott, den Herrn,
meine Hände strecken sich aus nach ihm,
untröstlich, zerfleddert wankt meine Seele,
die Augenlider hältst du, Gott, mir offen,
ich muss wachen, kann nicht schlafen,
gefüllt mit Unruhe, versagt mir die Stimme!

Und der Sänger, der Beter des Psalms 77,
erinnert sich an Gottes wunderbare Taten,
weil seine Stimme versagt, verstummt,
denkt er leise nach über Gottes heilige Wege.
Die Wege zur Rettung. Die Wege des Heils.

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Selig die, die Frieden stiften

Ich wünsche Segen allen, die sich für Frieden einsetzen und den Gewalttätern widerstehen.

Ich wünsche Segen allen, die den wahren Frieden suchen – den zwischen Gott (den Vater Jesu und unseren Vater) und den Menschen, zwischen sich und den Mitmenschen.

Ich wünsche Segen allen, die angesichts der Friedlosigkeit und des Hasses und des Zorns der Menschen resignieren und verzweifeln, dass sie durch Gottes Geist gestärkt werden und lieben – Liebe üben.

Soll das wirklich nicht mehr gelten?
Sollen wir uns den Kriegstreibern anpassen und unsere Werte verlassen?
Von ihnen bestimmen lassen, was wir für richtig halten?
Ich tue es nicht.
Frieden und Liebe sind keine Sonnenschein-Wünsche.
Sie müssen gerade in Spannungen gelebt werden.

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Im Psalm 36,10 heißt es:
Bei Dir, Gott, ist die Quelle des Lebens,
In Deinem Licht sehen wir das Licht.

Es gab viele Vorstellungen darüber, wie das Sehen möglich ist.
Die Gegenstände senden Bilder,
die Gegenstände wandern in Atomen ins Auge,
denken wir an die Pupille:
wir sehen uns als kleines Püppchen im Auge des anderen.
Das Auge sendet Licht aus,
damit es das Betrachtete empfangen kann.

Im Psalm haben wir eine weitere Vorstellung:
In Gottes Licht sehen wir das Licht.
Im Sinne der alten Zeit ist das vermutlich so zu verstehen:
Im Licht der Sonne können wir das Licht wahrnehmen.

Im Licht Gottes können wir das wahre Licht wahrnehmen.
Im Licht Gottes können Glaubende erst wirklich erkennen.
Licht wird im Parallelismus mit Quelle des Lebens verbunden –
– im Lebenslicht Gottes leben; im Licht deines Angesichts, Gott,
gibt es Jubel, gibt es Wahrheit, gibt es Gerechtigkeit, Wegweisung.
Wenn es fehlt, das Gotteslicht, gibt es nichts Gutes, folgen Klagen.
Und so ist Gott für Menschen, die ihm folgen, das Licht.
Dieses Licht strahlt aus: Gnade, Barmherzigkeit, Liebe (Psalm 112,4).

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Der Evangelist Johannes berichtet: Jesus Christus hat ein unheimliches Wunder getan: Er hat einen Menschen von den Toten auferweckt (Johannes 11).

Als die Gegner Jesu von Informanten hörten,
dass er ein solches Werk getan habe,
glaubten sie ihnen, dass er es getan hat.
Aber sie nahmen das Wunder zum Anlass,
brutal Jesu Beseitigung zu planen.

Sie hatten Angst vor den Herrschern.
Die Angst vor den Mächtigen war größer,
als der Versuch, die Tat zu begreifen.
Sie hatten Angst vor Machtverlust.
Die Angst vor dem Machtverlust war größer,
als das Anerkennen von Jesus, dem Christus.

Jesus Christus hat einen Menschen vom Tod ins Leben geholt.
Das war Anlass der Gegner, Christus aus dem Leben in den Tod zu hämmern,
berichtet uns der Evangelist Johannes.

Doch haben sie in all ihrer Klugheit nicht mit Gottes Liebe gerechnet.

*

Ein Glaube, der meint,
Gott und die Welt erklären zu können,
ist langweilig.
Langweilig, wie ein Roman,
der eigenen Bildern und Erfahrungen keinen Raum lässt.

Ein Glaube,
der Gott auf ein leicht verständliches Irgendwas reduziert,
ist langweilig und falsch.
Langweilig und falsch, wie ein Mensch,
der meint, einen geliebten Menschen, das Geheimnis,
mit einem Satz leicht und locker charakterisieren zu können.

Ein Glaube, der meint,
er durchschaue sich selbst,
leicht erklärbar,
ohne Staunen,
ohne Fragen,
ohne Rätsel,
ohne Spannung –
was ist das?
Was – ist das?

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Abraham hatte seine Ecken und Kanten.
Jakob hatte seine Ecken und Kanten.
David war zum Teil unausstehlich.
Die Propheten – wer kann sie schon ganz verstehen?
Jesaja, Jeremia, Hesekiel, Amos – sonderbar, sonderbar.
Die Psalmsänger wurden liebevoll entstachelt.
Und dann kommt Jesus Christus.

Und dann kommt Jesus Christus.
Was haben wir vielfach aus ihm gemacht?
Einen – keiner leichtgängiger als er:
Kantenlos, breiig, freundlich lächelnd redselig.
In den Evangelien wehrt er sich heftig dagegen,
durch Wunder, unverständliche Worte, Leiden und Kreuzestod.
Wer versteht? Wir schütteln den Kopf. Gehen weiter.

Und dann kommt Jesus Christus.
Dann kommt Jesus Christus in das Leben.
In das Leiden. In die Depression. In den Krieg. In die Sorgen.
Wir fragen den im dunklen Leben Unerwarteten,
wir staunen den kantenlosen Nichtssagenden an:
Was machst Du denn hier? Wirklich, Du hier?
Und dann kommt Jesus Christus. Er sagt: Ja. Ich bei Dir.

*

Überall wo Christen
Christus verraten, ist finsterste Nacht:

Mafia – finsterste Nacht.
Kriege – finsterste Nacht.
Sklaverei – finsterste Nacht. 
Ausbeutung – finsterste Nacht.
Nationalismus – finsterste Nacht.
Kommunismus – finsterste Nacht.
Nationalsozialismus – finsterste Nacht.
Missbrauchte Religion – finsterste Nacht.
Lüge, Propaganda, Betrug – finsterste Nacht.

Die Schöpfung Gottes wird missachtet.
Christus wird verraten.
Menschen werden allein gelassen.
Christus wird verraten.
Menschen werden erniedrigt.
Christus wird verraten. 
Menschen wird die frohe Botschaft vorenthalten.
Christus wird verraten.

Durch uns?

Christus wird verraten.
Aber er lässt sich nicht unterkriegen.
Er führt den Tag herbei.
Bis dahin:
In all den finstersten Nächten
kleine mutige Lichter.
Amen.