Vernunft sagt manchen: Es gibt keinen Gott.
Diejenigen, die das sagen, verzweifeln oft an der Vernunft des Menschen. Nicht weil sie sich einen Gott erschafft, sondern weil der Mensch so unmenschlich ist. Sie geraten in die Anthropodizee: Leiden am Menschen.
Diesen Eindruck hat man von Bertram Russell, wenn er in seinen unpopulären Betrachtungen meint, der Mensch sei animal rationale – aber er sei noch nicht auf einen solchen gestoßen.
Und wenn der Mensch – also auch der erklärte Atheist Russell – ein solches unvernünftiges Vernunfttier ist, wie will er dann beurteilen, ob die gottlose Vernunft oder die Gott orientierte Vernunft vernünftiger ist? Oder sind nur die anderen unvernünftige Vernunfttiere?
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Zur Anthropodizee – zum Leiden am Menschen:
Wenn der Mensch, der am Menschen leidet noch irgendwie an Gott glaubt, kann er Gott anklagen, weil Menschen ihm Leiden zufügen. Das ist bekanntlich auch häufig der Grund: Anthropodizee führt zur Theodizee – Leiden am Menschen führt zum Leiden an Gott.
Wenn Gott als Ventil wegfällt, wie es bei Atheisten der Fall ist, kann man sich auch nicht mehr am Menschen festklammern. Höchstens noch an sich selbst. Aber wenn man tiefer in sich schaut und nicht seine Schuld beschönigt, kann man das nicht mehr so frohgemut, höchstens in gespielter Sicherheit.
Schlimm sind dann die anderen – oder auch: Verzweifeln an sich selbst.
Als leidende Glaubende erkennt man mit der Tradition: Menschen sind Sünder. Man kann also das durch sie verursachte Leiden einordnen. Und Gott gibt in diesem Leiden Kraft zu tragen. Er gibt auch Kraft, einordnen zu können. Man versteht letztlich nicht, hat aber Gott in Jesus Christus, an dem man sich klammern kann.
Das gilt auch dann, wenn man sich und den anderen als Sünder erkannt hat und dankbar aus Gottes Vergebung lebt.