Schönheit

Mensch, ist die Atem beraubend schön! Wow, der ist so schön, der macht mich schwach! Wir Menschen finden nicht selten so manchen anderen Menschen schön, so schön, dass dieses Empfinden Auswirkungen hat auf die Atmung, die Schweißdrüsen hat – die Augen tränen vor Rührung und saugen dabei Schönheit auf.

Nun, so kann man als sachlicher und wissenschaftlich orientierter Mensch sagen: Das ist eben Sexualität. Man schaut auf schöne Menschen, um einen potentiellen Partner zu bekommen. Doch stimmt das wirklich? Es gibt auch Atem beraubend schöne Sonnenuntergänge und Sternenhimmel, es gibt Blumen, die unsere Sinne vernebeln, Kleidungsstücke, die begeistern – wunderschön ist der geschmeidige Körper einer kleinen Katze und einer Großkatze, das Gemälde eines Künstlers, einer Künstlerin, eine Vollmondnacht im Freien, das Rauschen des Windes in den Bäumen, das Schneckenhaus und die Muschel, die Seifenblase… – und das hat gewiss nichts mit Sexualität zu tun. Doch warum finden wir Menschen es schön?

Wir finden einen Salatkopf und andere Nahrungsmittel schön („Das Auge isst mit!“), weil wir sie verspeisen können – das hat mit unseren Selbst-Erhaltungstrieb zu tun wie Sexualität mit Gen-Erhaltungstrieb. Aber warum finden wir einen Sonnenuntergang schön? Das ist purer emotionaler Luxus, das raubt kostbare Energie. Das hat mit Gen- und Selbsterhaltung nichts zu tun. Im Gegenteil, die Schönheit des Blicks von einem Berg zu erstreben ist auch gefährlich, das muntere Schippern auf dem See im Sonnengefunkel und leichten Wind – kann Unannehmlichkeiten mit sich bringen…

Wir, die wir über die Schönheit nachdenken, sehen das Schönheitsempfinden als ein besonderes Kennzeichen des Menschen an. Dass der Mensch etwas, das er sieht, hört, tastet als schön zu empfinden vermag – ja auch körperlich zu empfinden vermag – woher kommt das?

Menschen, die sich mit Gott beschäftigen, denken seit langer Zeit darüber nach. Für sie ist die Aussage wichtig geworden: Der Mensch ist Ebenbild Gottes. Nicht, dass er nun so aussieht wie Gott, aber er hat von Gott etwas übertragen bekommen, das ihn über andere Wesen hinaushebt: Er kann sprechen, kann verantwortlich handeln, hat Würde – und eben: Er hat die Fähigkeit bekommen, die Schönheit zu erkennen. Das, was der Mensch als schön empfindet, ist sozusagen ein Rest des Paradieses, ist zarte Spur Gottes in dieser gottlosen und scheinbar von Gott verlassenen Welt, ist ein Hauch Vollkommenheit in der zerfallenen, zerstörten Welt. Und wenn Schönheit und Gottes gute Schöpfung zusammenhängen, dann lässt das auch Rückschlüsse auf Gott zu, und so sprechen Juden und Christen von der Herrlichkeit – der vollkommenen Schönheit – Gottes.

Manche Menschen nehmen Schönheiten wahr – und versuchen sie in den Griff zu kriegen – und zerstören sie. Wir Menschen haben einen Tod bringenden Griff. Das hängt mit dem zusammen, was Juden und Christen als Sünde bezeichnen. Wir zerstören die Schönheit, die Gott in seine Schöpfung gelegt hat, indem wir sie beherrschen wollen – sogar Gott selbst beherrschen wollen. Eine alte Erfahrung sagt: Genieße die Schönheit und pack sie nicht an, sonst zerplatzt sie wie eine Seifenblase, die man ergreifen will.

Manche Menschen nehmen Schönheiten nicht wahr. Vielleicht sucht der eine oder die andere nach dem Lesen dieses Beitrags das Herz von den Schönheiten öffnen zu lassen.

Diese Aussage macht stutzig, denn: Ist etwas schön, weil ich es empfinde oder öffnet Schönheit meine Sinne? Jeder Mensch, der etwas als “schön” ansieht, denkt nicht: Ich sehe es als schön an, sondern: Es ist schlicht und ergreifend schön und öffnet meine Sinne, damit ich es als schön anzusehen vermag. Nur muss man bereit sein, das Herz von der Schönheit öffnen zu lassen, seine Seele von der Schönheit ergreifen zu lassen.

Und weil es die Schönheit ist, die den Menschen ergreift, ist das Schönheitsempfinden von uns Menschen unterschiedlich. Manche sagen: Das ist nicht schön – andere sagen: Mensch, ist das Atem beraubend schön! Wow, das ist so schön, das macht mich schwach! Und je mehr ein Mensch sich von dem vielen Schönen um ihn herum ergreifen lässt, desto glücklicher geht er durch die Welt.