27.07.2024

1. Ich bin…

Im Johannesevangelium lesen wir:
Jesus sagt: ego eimi zum Beispiel:
Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, ich bin das Leben.
Ich bin das Brot des Lebens.
Ich bin das Licht der Welt.
Ich bin die Tür (zu Gott).
Ich bin der gute Hirte.
Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Ich bin der wahre Weinstock (von dem Glaubende die Kraft empfangen).

Ich.
ER ist der Ich bin.
Wir machen es ihm nach:
Ich, Ich, Ich.
Wir machen uns göttlich groß,
Ich Ich, Ich.
Und sind doch sterblich klein.
Ich, Ich, Ich –
kann Jesu Größe nicht ertragen.
Darum:
Ich, Ich, Ich –
und vergehe im
Ichichich,
dem kleinen.
Und vergehe
in anderen kleinen
Ichichichs.

2. Gott schenkt

Gott ist nicht zu fassen
mit unserem suchenden Gehirn,
mit unserem mangelhaften Fühlen.

Damit wir uns nicht verlieren,
verlieren in der Suche nach Gott,
verlieren im Fühlen unsagbarer Größe,
schenkt Gott uns Haltepunkte.

Gott schenkt uns sein Wort,
in vielen Wörtern der Menschen.
Gott schenkt uns Sakramente,
das Mysterium von Brot, Wein, Wasser.

Gott schenkt uns sich selbst,
in seiner Menschwerdung, in seinem Leiden:
Gott schenkt uns das Kruzifix,
sichtbar wird seine zuvorkommenden Liebe.

Gott schenkt uns Teilhabe an sich selbst,
in seiner Auferstehung liegt unsere verborgen:
Er hat uns zur Herrlichkeit berufen,
das unvollkommene Leben durch Vollkommenheit geehrt.
Sichtbar am leeren Kreuz, dem Auferstehungskreuz.

3. Auferstehung

Jesus Christus ist von den Toten auferstanden.
So berichten uns die vier Evangelien, die Apostel.
Die Herrlichkeit Gottes im wunderbaren Menschen Jesus.

Der Evangelist Markus hört einen Engel den Frauen sagen:
Geht hin nach Galiläa, Jesus wird euch vorausgehen.
Nach Galiläa: voraus in den Alltag, Galiläa –
voraus in die Landschaft, an der alles begann.
Sagt es den Seinen. Aber die Frauen schwiegen.

Die Seinen blieben in Jerusalem.
Und so zeigte Jesus sich den Seinen in Jerusalem,
dem Ort der Verachtung, der Folter, des Schmerzes.
Jerusalem, die Stadt Davids, die Stadt seines Vorfahrens
bildet nun den Anfang einer großen Bewegung.

Die Bewegung des Jubels aus vollem Herzen,
des Jubels, der weltweit Menschen ergreift.
Die Bewegung der Verkündigung des Sieges
über den Tod, über die Hoffnungslosigkeit, die Sünde.
Die Bewegung, die der Gottesgeist vorantreibt.

Jesus Christus ist von den Toten auferstanden.
So berichten uns Millionen, in denen er auferstanden ist.
Die Herrlichkeit Gottes – Geschenk für Menschen des Alltags.

4. Sterben

Nahrungsmittel sterben,
damit wir leben,
für uns,
für die anderen.

Christus starb,
damit wir leben,
für uns in Christus,
für die anderen.

(2. Korinther 5,15)

5. Neu

Jesus Christus macht alles neu:
Seelen, den Geist der Menschen, Herzen.

Moderne Menschen machen auch alles neu:
Alles ist ambivalent, verursacht große Schmerzen.

Neu, neu, neu – Sucht nach „neu“.
Neu ist nicht immer gut, wenn es der alte Mensch macht.

All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu;
sie hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.
 (EG 440,1)

6. Nicht vom Brot allein

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Das scheinen viele zu vergessen,
sie fokussieren sich auf Karriere, Geld, Materielles.
Das alles allein bringt Leben!
Wer das hat ist anerkannt, hat ausgesorgt.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Das haben viele begriffen.
Aber wovon lebt der Mensch noch?
Da gibt es tausende Antworten.
Woraus schöpft er seine Kraft?

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Weiter geht der biblische Satz:
Sondern von dem Wort,
das vom Munde Gottes ausgeht.
Christus: Brot und Quelle des Lebens.

Der Körper des Menschen lebt vom Brot.
Der Geist, die Psyche des Menschen lebt von Gottes Wort.
Das Wort Gottes beinhaltet, was der Mensch benötigt:
Wegweisung, Trost, Liebe, Geborgenheit, Frieden.
Und es führt in die Gemeinschaft derer, die Christus folgen.

7. Psalm 69

Träume von uns Menschen
werden fast immer zerstört.
Wir zerstören sie selbst,
andere zerstören sie.
Unter großen seelischen Schmerzen
werden neue Träume geboren.
Nicht drinbleiben im Schmerz.
Bloß nicht drinbleiben.

Rette mich, Gott,
das Wasser steht mir bis zum Hals! 
Ich versinke im tiefen Schlamm,
meine Füße finden keinen Halt mehr.
Die Strudel ziehen mich nach unten,
die Fluten schlagen schon über mir zusammen.

(Psalm 69)

8. Ebenbild Gottes

Der Mensch ist
Ebenbild Gottes.
Darum
hat er Würde,
hat er Freiheit,
kämpft um Gerechtigkeit,
hat Anrecht auf Recht.

Der freie Gott wurde Mensch
in Jesus Christus,
darum setzt er sich ein für:
Würde,
Freiheit,
Gerechtigkeit,
Recht.

9. Frei

Jesus Christus,
Vorbild freier Menschen.
Für den Menschen leben,
aber eben – als freier Mensch
durch des freien Gottes Geist.

In Freiheit mutig reden, handeln:
in Freiheit Menschen zugewandt,
in Freiheit Gesetzlichkeit durchlüften,
in Freiheit frivole Heuchelei enttarnen,
in Freiheit abgehobene Hierarchien erden,
in Freiheit aufgeplusterte Klugheit dornen,
in Freiheit Entrechtete ins Rechtlicht heben,
in Freiheit dämonisch Gefesselte entbinden,
in Freiheit Machtstrukturen ertragend zerbrechen,
in Freiheit Gott gehorsam, Gott, nicht den Menschen.

Jesus Christus,
Vorbild freier Menschen.
Für den Menschen leben,
aber eben – als freier Mensch
durch des freien Gottes Geist.
Frei will er den Menschen – befreit.

10. Gott sprach

Wir leben als Individuen,
weil Frau und Mann zusammenkamen.
Wir sprechen ,
weil Menschen um uns herum waren.
Wir leben von anderen.

Wir haben Leben nicht aus uns selbst.
Dass es Leben gibt,
hat nicht der Mensch gemacht.
Dass der Mensch Verstand hat,
hat nicht der Mensch gemacht.

Einige meinen,
das sei Zufall.
Andere meinen,
das kann kein Zufall sein.

Einige meinen,
der Mensch ist aus sich heraus groß.
Andere meinen,
Gott schenkt dir, ihm und ihr Würde.

Und Gott sprach: …
Und Gott spricht: …

11. Freude

Die Freude an Gott
ist unsere Stärke.

Wir wissen das –
und ärgern uns gegenseitig,
und ärgern uns übereinander,
und bekämpfen einander,
und beneiden einander,
und misstrauen einander,
und verführen einander,
und verwirren einander.

Die Freude an Gott
ist unsere Stärke.
Darum: Nichts wie hin zu Gott,
damit Gemeinschaft werde,
die Toleranz unseres Herzens weiter.

12. Gott verlassen

Das Alte Testament gibt zu denken,
vorsichtig und zurückhaltend gesagt:
Ein Land, in dem die Menschen Gott verlassen,
ein Land, in dem Menschen nicht auf Gott hören,
muss sich nicht über die Politik der Herrschenden wundern,
muss sich nicht über aufgewühlte, verrückte Natur wundern.

Darauf gibt es vier oder fünf Reaktionen:
Nichts wie weg mit diesen Erfahrungen, diesem Werk,
oder: weiterwursteln wie bisher, ängstlich bzw. trotzig,
oder: lasst uns darüber nachdenken, beraten, besinnen,
oder: vereinende und trennende Weltsichten erkennen,
oder: Umkehr macht stark, Umkehr macht klug und weise.

13.

Lass dein Licht leuchten
vor den anderen Menschen,
damit sie deine guten Taten sehen
und den Vater im Himmel loben.

Warum ist das Licht verdunkelt?
Warum ist der Satz verschüttet?
Warum halten wir uns nicht
an diese einfache, ganz einfache Regel?

Manche machen sich ganz groß,
manche machen sich ganz klein,
sie alle kümmern sich nicht,
dass Jesus durch sie leuchten möchte.

Eine so einfache Regel für den Alltag
zum Lob unseres wunderbaren Gottes
aus dem Munde dessen, dem wir folgen,
aus der Feder dessen, dem wir gehören.

14. Seufzen

Als der Pfarrer sagte:
Nun bringen wir in der Stille vor Gott,
was uns bewegt,
drang der laute Seufzer eines Mannes
durch den stillen Kirchenraum.

Gott, stehe ihm bei,
dessen Seele ein einziges Seufzen ist.
Amen.

15. Seligpreisungen

Nicht Glück ist das Ziel eines Glaubenden.
Das Ziel eines Glaubenden ist, was Jesus sagt:
Glückselig sein.

Glückselig sein
in der physischen und psychischen Armut,
in ihren Traurigkeiten, die das Leben mit sich bringt,
in ihrer Freundlichkeit – in Zeiten der Heuchelei und Hartherzigkeit,
in ihrem Hungern und Dürsten nach Gerechtigkeit – in Zeiten des Unrechts,
in ihrer Barmherzigkeit – in Zeiten der Unmenschlichkeit,
in ihrer Arglosigkeit – in Zeiten der Berechnungen und Übervorteilungen,
in ihrem Einsatz für Frieden – in Zeiten der Auseinandersetzung,
in ihrer Standhaftigkeit – in Zeiten der Verachtung, Verfolgung, Verspottung,
in ihrer Nachfolge Jesu – in Zeiten, in denen Menschen ihn verlassen.

16. Ein anderer

Der im Glauben getrunkene Wein,
ist ein anderer Wein,
neuer Wein – Christus;
das im Glauben gegessene Brot,
ist ein anderes Brot,
neues Brot – Christus;
das mit Dank gegessene Essen,
ist ein anderes Essen –
Essen in Dankbarkeit;
der im Glauben begegnete Mensch,
ist ein anderer Mensch,
Mensch mit den Augen Christi gesehen;
die im Glauben erlebte Menschheitsgeschichte,
ist eine andere Menschheitsgeschichte –
Gott wirkt in ihr hin zur Vollendung;
die im Glauben wahrgenommene Natur,
ist eine andere Natur,
sie ist Schöpfung, gewollt und geliebt;
der im Glauben lebende Mensch,
ist ein anderer Mensch,
neuer Mensch.

17. Zum Lob

Christen, die ihre Tradition ernst nehmen,
haben mehrere tausendjährige Erfahrungen.
Viele dieser Erfahrungen werden modern aufgegriffen.
Sie werden aufgegriffen aber neu interpretiert.

Erinnert sei an die Aufnahme jüdischer Apokalypse:
Christen sagen, es wird das Ende der Zeit kommen,
wenn Gott seine Schöpfung in die Vollkommenheit führt.
Säkulare sagen, es wird das Ende der Zeit kommen,
untergehen wird alles, wenn die Menschen sich nicht ändern.

Christen haben viele Erfahrungen mit dem Bösen:
dem Bösen, das ihnen zugefügt wurde,
dem Bösen aus ihren eigenen Reihen,
dem Bösen im Alltag, im Zusammenleben,
dem Bösen in Politik und Gesellschaft,
den Versuchungen zum Bösen in sich selbst.

Das Böse:
ansteckend: wenn es zugelassen wird, machen andere es auch, wie eine Epidemie;
verwirrend: Menschen meinen Gutes zu tun, bewirken aber das Gegenteil;
ergreifend: es packt den Menschen, sein Wesen wird ihm selbst entzogen;
intellektuell: es verführt zu einem kalten, logischen, Vernichtungsirrweg;
umdeutend: es verdreht und verzwirbelt Argumente, Ansichten, Gutes;
verführend: es lockt mit dem, was Menschen mögen, und führt sie in die Falle;
ausliefernd: Menschen werden Bösartigen ausgeliefert, feige, hinterhältig, wegschauend;
relativierend: wer weiß denn schon was von Gott, sein Wirken, die Schönheit, Herrlichkeit?
ablenkend: es lenkt den Blick auf Nebensächliches, während das Böse herumrumort;
emotionalisierend: es betäubt das klare Denken, aufputschend mit Farben, Tönen, Bewegungen, Pseudo-Gemeinschaftsgefühl, Macht in der Gruppe, Macht hast du!;
pervertierend: das Schöne, das Wahre, das Gute – wird missbraucht, ins Gegenteil verkehrt;
verleumdend: es erstarrt Herzen, gute Menschen werden als bösartig beschrieen;
erhebend: nimmt Einsamkeit, umspült mit Größe: du bist wer!, Preise und Claqueure;
erniedrigend: du bist einsam, bist nichts wert, sinnlos dein Leben, ungeliebter Ärger.

Das Böse, der Eindringling:
der Mensch, ausgeliefert.
Ohne Maßstab für Leben, Denken, Gefühl.

Gott, der Schöpfer:
der Mensch kann sich ihm in Freiheit zuwenden.
Er bekommt Maßstab für das Leben, Denken, Gefühl.

Das Böse, eine Macht.
Gott, öffne uns Menschen die Augen,
damit wir Dich erkennen und
den Kampf gegen Dich und die Menschen.
Dass wir Dich lieben, ehren, loben,
Dir folgen zum Wohl der Menschen.
In Deiner Kraft gegen das Böse:
Leben zum Lob Deiner herrlichen Gnade. (Epheser 1,6)

18. Wahrheit

Gott ist die Wahrheit.
Es gibt also für Menschen nur Annäherungen an die Wahrheit.
Der Mensch ist sich seiner Unzulänglichkeit bewusst,
aber er hat einen Anhaltspunkt, eine Basis, einen Anker.

Wahrheit ist die Übereinstimmung des Gesagten mit der Sinnes-Realität.
Es gibt also für Menschen die Möglichkeit, Wahrheit zu erkennen.

Ein Wort kann – als unzulängliches Wort – nie die Realität wiedergeben,
es kann nur Annäherung an die Wahrheit sein.

Die Sinne können wegen ihrer Unzulänglichkeit nie die Realität erfassen.
Das Gehirn interpretiert alles – auch das Erfasste und kann irren.

Durch Zweifel an dem Gesehenen, Erlebten, Geglaubten, Gesagten
nähert sich der Mensch der Wahrheit an.
Aber das, was als Wahrheit gilt, ist nicht Wahrheit per se,
es ist Konsens einer Gruppe, die etwas als Wahrheit ansieht.

Wird die Wahrheit von Gott gelöst,
kommen manche zu dem säkularen Schluss:
Es gibt keine allgemeingültige Wahrheit.
Jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit.
Ich bin meine Wahrheit – ich bin die Wahrheit.

Und daraus folgt: Lüge.
Denn: Wenn nichts allgemein als wahr erkannt werden kann,
kann auch Lüge nicht als Lüge erkannt werden.
Und so ist auch die Lüge für manche Wahrheit.
Der Mensch hat keine Basis, keinen Anhaltspunkt, keinen Anker.

Um den Zerfall der Gesellschaft zu vermeiden,
wenn jeder die ihm eigene Wahrheit hat,
muss eine postuliert werden durch die Mächtigen,
auch wenn diese Lügen sind – sind sie Konsens:
ein Narrativ muss das Volk durchdringen, an dem alles orientiert wird.

Ist ein wenig über Wahrheit – wahr?

19. Großartiges Christentum

Der großartige christliche Glaube in Europa,
hat Großes der griechischen Antike aufgenommen,
hat Großes der römischen Antike aufgenommen,
hat Großes der jüdischen Antike aufgenommen,
und all dieses zu etwas Neuem transformiert.
Er kam in die Kulturen europäischer Stämme.

Er hat vieles weiterentwickelt, Neues gestaltet
in der Wissenschaft, Technik, Architektur, Kunst,
dem Zusammenleben der Gesellschaften.
Und nun hat er sich weltweit mit Kulturen verbunden:
mit großen und kleinen Kulturen Afrikas, Asiens, Australiens
und natürlich den Traditionen Amerikas.

Er hat Geistesströmungen aus sich entlassen.
Gesellschaften des Vertrauens, Rechts, der Gleichheit,
der Freiheit, der Toleranz, Gerechtigkeit – aber auch:
Atheismus, Säkularismus, Kommunismus, Satanismus,
und viele andere auch religiöse unabhängige Ansätze.
Schuldig geworden, üblen Geistern den Boden bereitet.

Der großartige christliche Glaube in Europa –
was wird aus ihm? Verschwindet er? Verwässert er?
Wir können es noch nicht sagen, wir leben in Umwälzungen.
Wir leben mitten in einem Transformationsprozess.
Der Heilige Geist, der Geist Gottes arbeitet und wirkt –
doch wir können noch nicht sehen, wohin er uns führt.

Was heißt das für uns Christen, für die Kirchen, die Kirche?
Fröhlich unseren Glauben an Jesus Christus leben.
Aus Glauben heraus handeln, in Nachfolge Jesu wirken.
Jede und jeder von uns an seinem Platz, mit ihren Gaben,
von Gottes Geist gestellt, von Gottes Geist begabt.
Als Salz der Erde, als Licht der Welt.

Wir können nicht sehen, wohin der Geist Gottes uns führt.
Wir können aber wissen, dass er selbst es ist, der führt,
der Mut schenkt, Freiheit, Gewissen, Gemeinschaft, Selbstkritik.
Wir können beitragen in unseren Gesellschaften,
zur Gerechtigkeit, zum Frieden, zur Wachsamkeit.
Als die, die ihr Gotteslicht nicht verbergen und verheimlichen.

20. Apg 1+2

In Apostelgeschichte 1 und 2 heißt es:
Er entschwand ihren Augen.
Er entschwand ihnen ganz:
Die Augen sahen ihn nicht mehr.
Die Ohren hörten ihn nicht mehr.
Die Haut fühlte ihn nicht mehr.
Im Hirn war Er nurmehr Erinnerung.
Was blieb:
Vertrauen in die Lehre.
Sonderbare Hoffnung.
Bis er kam.
In seinem Geist.

21. Der Christ ein Buch

Wer sein Haus verlässt, kommuniziert.
Kommunikation bedeutet nicht unbedingt: reden.
Kommunikation bedeutet auch: sich zeigen.
Wie zeige ich mich – wie nimmt der andere mich wahr?:
mit mürrischem oder fröhlichem Gesicht?
Wie bin ich gekleidet, was sagt mein Haar?
Gehe ich schnell, gehe ich langsam, renne ich?
gehe ich mit guten Gedanken oder unter Stress?
Habe ich Tattoos, Schmuck, Schminke, nichts?
Unsere bloße Existenz vor anderen ist kommunikativ.

Wer also denkt, er geht aus dem Haus,
ganz allein so, wie er es mag,
lebt in einem durchsichtigen Kokon.
Er kommuniziert mit anderen,
ob er will oder nicht will:
sie schauen mich an, sie urteilen über mich,
ich renne, andere rennen dann auch,
ich bin traurig, andere werden nachdenklich,
ich bin laut und krakeele herum, anderen kocht das Blut
mein Blick ermutigt, erniedrigt, schwächt, stärkt, erhebt.

Als Christ weiß ich das alles – und ich bitte Gott,
mich zu einem guten Buch zu machen,
mich zu einem guten Bild zu machen,
das andere lesen und anschauen,
das andere ermutigt, sie stärkt,
sie auf neue Gedanken und Wege bringt.
Gehen im Segen Gottes bedeutet,
andere zu segnen, sie unter Gottes Segen stellen.
Das muss nicht mit Worten geschehen,
sondern kann mit der bloßen Existenz gegeben sein.

22. Freude

Von Sorgen nicht erniedrigen lassen.
Freude.
Von Blendern nicht blenden lassen.
Freude.
Von Verächtern nicht zum Verächter machen lassen.
Freude.
Von Einschüchternden nicht verängstigen lassen.
Freude.
Von Sorglosen nicht zur Sorglosigkeit verführen lassen.
Freude.
Von Langweilern nicht lähmen lassen.
Freude.
Von Hoffnungslosen Hoffnung nicht rauben lassen.
Freude.
Veränderern standhalten, Versteinerte beleben.
Freude.

Der Apostel schreibt:
Freut euch, freut euch allezeit.
Jesus Christus ist nah.

Tiefe Freude durchziehe das schwere Leben.
Der Blick auf den gerichtet,
dem wir gehören.

Er ist die Freude,
die wie ein Roter Faden
das Schwere durchleuchten möchte.

23. Christus betrachten

Christus mit den eigenen Augen betrachten.
Christus mit den Augen seiner Mutter, Maria, betrachten.
Christus mit den Augen seiner Schülerinnen und Schüler betrachten.
Christus mit den Augen des Apostels Paulus betrachten.

Christus mit vielen Augen Glaubender betrachten:
Künstlern, Theologen, Musikern, Dichtern, Wissenschaftlern,
Ordensleuten, Ärzten, Menschen wie du und ich – weltweit.
Christus mit den eigenen Augen betrachten.

24 Der gute Hirte

Gott, der gute Hirte,
Jesus Christus, der das Schaf sucht,
es auf den Schultern heimträgt.
Ein Bild, das berührt, ergreift.

Warum gelang es den Alten
Ergreifendes Wort werden zu lassen?
Es ergreift auch heute,
obwohl Hirten kaum Bedeutung haben.

Wodurch wollen wir es ersetzen?
Womit wollen wir Menschen heute die Wahrheit verdeutlichen?
Was trägt Jesus heute auf seinen Schultern heim?
Welches Wort-Bild zeigt heute Schutz, Geborgenheit?

Das alte Bild?
Nur das alte Bild?

25. Kirche

Es gab Zeiten, da wurden Menschen aus der Kirche ausgeschlossen,
weil sie einen eigenständigen Glauben vertreten haben.
Heute werden sie potentiell aus der Kirche ausgeschlossen,
weil sie die falsche politische Meinung vertreten und haben,
eine Meinung, die die Regierung nicht goutiert.

In der Gemeinschaft der Heiligen wird erst gefragt:
Welches Parteibuch hast du, welche Gesinnung?
Bald wird das vor der Taufe eingeführt, vermute ich:
Wir taufen dich nur, wenn du politisch richtig liegst.
Schwörst du dem Teufel, der Partei XY, ab?

Das ist mein Tipp zur theologischen und liturgischen Erneuerung.
Kann beliebig fortgesetzt werden. Zum Beispiel:
Lass dich taufen! Tue Buße, wähle keine Partei, die wir nicht erlauben,
nimm die politische Gesinnung an, die wir dir vorschreiben: 11. Gebot.
Nächstenliebe gilt denen, die nicht unsere politischen Feinde sind.

Das ist christliche Bürgerpflicht vom feinsten, tolerant und respektvoll!
Ach, wie wird die Kirche schön, wunderschön, liebreizend!
Alle so wunderbar gleichgesonnen und zeitgemäß!
Wir lieben die Nestwärme, die Harmonie, den Stallgeruch!
Alle so wunderbar eines, ja, eines politischen Geistes!

Wessen Geistes?