Gott möchte die Stadt Sodom und Gomorrha vernichten – nicht, weil er Spaß daran hat, sondern weil in ihr die Menschen ausgesprochen brutal sind (Genesis 18-19). Es ist eine Geschichte, die evtl. in interessanten geologischen Erscheinungen ihren Ursprung hat.

Darauf möchte ich jetzt nicht eingehen. Worauf es mir hier ankommt: Gott bespricht mit Abraham vorher, was er vorhat. Abraham hat Einwände, Gott geht darauf ein. Ist es also gerecht, wenn Gott die ganze Stadt vernichtet, wenn ein Gerechter dadurch unschuldig leiden muss? (Ein Thema der alten Weisheit: das Leiden des Gerechten – eine Theodizee-Frage.) Gott gibt Abraham Stück für Stück Recht – und vernichtet dann die Orte, nachdem der gerechte Mensch mit seiner Familie gerettet worden war. Der Richter der Welt – sollte der nicht gerecht richten? Fragt Abraham: Genesis 18,25.

Es kann aus meiner Sicht nicht die Rede davon sein, dass die Gerechtigkeit höher steht als Gott, sozusagen eine Art Übergott ist. Ich denke, das zu sagen liegt dieser Geschichte unendlich fern. Denn Gott selbst ist ja der Gerechte – der somit Gerechtigkeit konstituiert. Und er rettet Menschen aus der Stadt – und zwar 4. Es gab also nicht einmal 10 Gerechte, also 10 Männer, die im Judentum eine Gemeinde bilden. Es kann auch dem Autor nicht daran gelegen gewesen sein zu sagen, dass der Mensch Abraham im Grunde gerechter und somit besser ist als Gott. Abraham selbst weiß, was Gerechtigkeit ist, weil er diesem Gott vertraut. Und so ist es eine Vertrauensgeschichte.

Als Vertrauensgeschichte ist es eine Beziehungsgeschichte. Gott lässt mit sich reden. Er – wie es in der Geschichte häufig heißt – zürnt nicht. Er ist ansprechbar. Und dann zeigt es sich, dass die Männer der Stadt grausam sind (von Sodom leitet sich auch Sodomie ab). Ganz sauber ist auch Lot nicht, der als Gerechter noch geradeso durchgeht, weil er die Gastfreundschaft schützt – auch auf Kosten seiner Töchter.

Aber ich denke, dass diese Geschichte auch noch etwas anderes sagen soll: Gott als der Gerechte vernichtet Städte, wenn das Unrecht in ihnen zu groß wird. Das ist ein Zeichen eben seiner Gerechtigkeit: Gott wendet sich gegen Menschen, die sich Menschen verachtend verhalten. Das wiederum bedeutet, dass die Menschen der Städte achtgeben müssen, dass das Unrecht in ihren Mauern nicht zu groß werde. Es ist also eine Geschichte, die erzieherische Funktion hat: Erziehung dazu, dass Menschen einander nicht vergewaltigen und erniedrigen.

In der Geschichte geht es um „gerechte“ Männer. Frauen und Kinder spielen da keine Rolle – wobei die Geschichte sagt: alle – jung wie alt. Es war wohl eine Art Volksbelustigung, grausam mit Fremden umzugehen. Das zeigt ebenfalls, dass es um eine Geschichte handelt, in der diejenigen, die in Städten was zu sagen hatten, diszipliniert werden sollten: Gastfreundschaft ist eminent wichtig.

In dieser Hinsicht ist nun auch Lukas 13 spannend. Ein Turm ist wohl zusammengebrochen und hat Menschen unter sich begraben. Jesus fragt: Waren die Menschen besonders große Sünder, dass sie nun sterben mussten? Nein, denn alle haben es nötig, zu Gott umzukehren. Hier wird ein aufregendes Ereignis dazu verwendet, Menschen darauf hinzuweisen, dass sie ihr Leben ändern müssen.

Dieses Muster der Menschendisziplinierung kennen wir heute auch neu umgesetzt im säkularen Bereich: Irgendwo in der weiten Welt ist eine Flut – und so werden wir aufgefordert, unser Verhalten gegenüber dem Klima zu verändern – weil wir an Fluten schuldig sind.

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Apropos „gerecht“: Ist Gott gerecht – sind nicht wir Menschen gerechter als Gott? Diese Frage scheint sehr modern: Der Mensch in seinem Hochmut sieht sich als besser an, als Gott. Sie ist aber alt. Sehr alt. Wer diese Frage heute noch stellt, hat Gottes Handeln in Jesus Christus nicht verstanden – und hoffentlich Freude daran, es zu ergründen.