Meine Gedichte sind weniger abstrakt. Das hängt damit zusammen, dass ich mit den Worten nicht das Denken anregen möchte, sondern versuche, meine Emotion so in Worte zu verpacken, dass sie auch im Leser etwas zum Schwingen bringen. Wenn ich sage: „Ich habe ein wunderschönes Abendrot gesehen!“ – dann werden im Hörer/Leser Bilder hervorgerufen, Bilder von selbst gesehenem Abendrot. Man kann dann sagen: Das kenn ich – man kann dann aber auch emotional dieses Abendrot wieder erleben. Und wenn man etwas selbst nicht erlebt hat, dann können – das ist zumindest meine Absicht – Worte, dürre, wenige, aber treffende Worte vielleicht eine emotionale Wirkung hervorrufen. Manchmal auch dadurch, dass sie überhaupt nicht zusammenpassen: zum Beispiel 2. Monat 1. Gedicht: Wattebausche passen nicht zum Meer und nicht zu Erhabenheit. Aber vielleicht kann die Kombination ein Gefühl hervorrufen. Es wäre schön, wenn es dann und wann gelingen könnte. Es sind vielfach Spielereien mit Worte – eine Hommage an die Leichtigkeit. (Über Sinn und Unsinn des genannten Gedichtchens kann man viel sagen. Spannend finde ich selbst: Welche unpassenden Bilder man auch verwendet – durch die Erfahrung werden die Bilder einfach zu einem angenehmen Sommerhimmel uminterpretiert…)

Ich wollte immer malen.
Und weil ich es nicht kann,
versuch ich es mit Worten.

(1) Ein Jahr ist vergangen

– GOTT hielt uns –
SEIN Jahr.
Ein Jahr liegt vor uns
– GOTT hält uns –
was für ein Jahr?
– In SEINER Hand.

(2) Zwischenzeit

Wir
leben immer
in der Zwischenzeit:
zwischen den Jahren,
zwischen gestern und heute,
zwischen heute und morgen.
Im Jetzt leben wir schon im Gleich.
Das Jetzt – ist sofort Vergangenheit,
sobald es gedacht wird – und Gegenwart.
Wir leben jetzt schon in DEiner Welt, mein Gott,
obgleich Leiden und Freuden uns hier noch ergreifen.

(3) Es gibt keinen Weihnachtsmann

– mach mich nicht an!
Es gibt kein süßes Christkind
– all das ist ohne Sinn.
Es gibt keinen Nikolaus
– lockt nicht mal mehr ne Maus.
Bloß keinen Kinderglauben mehr
– der Jugendatheismus muss schnell her:
Wer heute noch an Jesus glaubt,
hat seine Kindheit nicht verdaut.
Da kommt das Himmelslicht
– und erleuchtet mich.

(4) Die Kälte dringt in uns.

Die Nacht schaudert um uns.
Das Knacken schreckt uns.
Das Nichts füllt uns.
Du
drückst furchtsam deine Hand
fester in die meine.
Lähmendes ist nun gebannt.
Ich bin nicht alleine.

(5) Wir stehen da mit leeren Händen, nackt und bloß,

ausgeliefert jedem Windhauch, jeder Welle, jedem Gedanken, jeder Leere.
Wer in seinem Lebensboot so steht oder kauert – mit Nichts in Händen –
kann sich hinein gleiten lassen in die Hände Gottes, des allmächtigen Vaters,
sie sind der Hafen der Ruhe, der Hafen warmen Lebens, sie allein – in Ewigkeit.

(6) Mit Tränentropfen

und roter Nase taucht sie
in die Menge ein.

(7) Im Luftzug des Schnellzuges

Wirbeln die Wörter davon.
Willenlose Buchstabenfetzen.

(8) Unterführung.

Ausstellung von Liebesphantasien
und ausgebrochener Gedanken.

(9) Wir verstehen Auferstehung nicht.

Wir verstehen Tod nicht.
Wir verstehen Leben nicht.
Wie geht das?
Tote Materie atmet, hat Geist,
hat Schmerz und Liebe.
Wie geht das?

(10) Schwarzer Vogel

fliegt in Herbstbaum
bunte Blätter
fallen flirrend
zu den Schwestern.

(11) Als lichtes Nebelkleid

legt sich der Hauch der Vergänglichkeit
über Gras und Blatt.

(12) Freundinnen und Freunde,

überlasst den Gewalttätern nicht das Feld.
Freilich, es ist bequemer,
man eckt nicht an,
man kann sich freundlich zeigen
und über allem erhaben,
tolerant, sanft und edel,
man kann besser schlafen
– noch.
Freundinnen, Freunde,
überlasst ihnen nichts.
Nein,
um Euch ist mir Leid,
Freunde, Freundinnen.

(13) Das verblühte Sonnenblumenfeld –

eine Trauergemeinde.
Köpfe hängen, hängen, hängen schwarz.
Eine hebt strahlend ihren Kopf.
Noch.

(14) Die Äpfel hängen

in den langen Schatten
des Spätsommers.

(15) Mit langen Herbstschatten

pflügt der Bauer den Acker.
Braune Schollen
glänzen im klaren Abendlicht.

(Eine Frage: Welches Bild entsteht vor Eurem inneren Auge? Pferd? Nein, es war ein riesiger Traktor.)

(16) Sonne vertreibt das Lampenlicht,

Menschen mögen Sommersonne nicht.
Licht vertreibt die Sonne
Hand in Hand mit dem Rollo.
Sonne rächt sich und bleibt fort.
Monat um Monat im Winter.

(17) Ein Lächeln huscht

über ihr Gesicht.
Warum?
Ihre Seele weiß es.

(18) Abgerissene Sommerblätter,

Völker Afrikas,
zerfetzt, zerrieben, zertrieben
von Mordbuben.

(19) Tanzt, Mücken, tanzt, tanzt,

der Sommer ist kurz und klamm.
Tanzt den Liebestanz.

(20) Die Kürbisse

tranken die Farben des Sommergartens
und verströmen sie nun im Raum.

(21) Mit silbernen Fäden

spinnen Spinnen den Sommer ein,
trotz Flugkünsten
können die Schwalben ihn nicht befrein.
Aus Sehnsucht nach Freiheit
lassen sie ihn, munter schwatzend, allein.

(22) Das Liebesspiel

unter dem großen,
tiefen Sternen-All.
Aber die Liebe,
aber die Liebe
ist größer,
ist tiefer.

(23) Nachruf

Immer war er mit Dackel unterwegs.
Mit Scherzen auf den Lippen –
wo sind sie nun?
Er – er ist daheim.

(24) Nachruf

Sie rief an,
zur Zeit und zur Unzeit,
stundenlang.
Nur als sie Hilfe brauchte nicht.
Mit wem redet sie jetzt?

(25) Missverständnis

Mip, mip
machte das Mäuschen
und verstummte
zwischen den Zähnen
der Katz.
Zu meinen Füßen liegt es nun,
das kleine graue Geschenk
von der Katz,
die mich mag.

(26) Zerfetzt fliehen

Wolken der Nacht
vor der gleißenden
goldenen Sonne.

(27) Was für ein Morgen!

Sonnenstrahlen, Wind und Grün
spielen in den Weinblättern.
Was für ein Abend!
Kerzenschein, Glas und Rot
spielen mit dem Wein.

(28) Gott ist Raum.

Wo ist er?
Gott ist Zeit.
Er vergeht.
Gott ist Bewegung:
Er weht wo er will
und drängt zur Liebe.

(29) Ich liebe den Sommer.

Mit heißem Herzen
schaut man Frau.
Mit warmen Füßen
geht man zu Bett.

(30) Bin ich mein Körper?

Bin ich in ihm?
… zu Hause?
… fremd, ganz fremd?
In ihm,
mit ihm eins,
auf dem Weg.
Kleine Dinge tun
mit großer Liebe.

(31) Gold´ne Flecken hoch

am Himmel. Schwarze Massen
wälzen schwer heran.

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