Seit alter Zeit kommen Menschen in Krisen zusammengelaufen, um in den Tempeln zu beten, Opfer darzubringen, Gemeinschaft zu stärken.

Der christliche Glaube in der Form des Christentums hat viele Elemente der Religionen aufgenommen. Und dazu gehört eben auch das: In Krisenzeiten kommen Menschen zusammen, um miteinander zu Gott zu beten, damit er die Not wende.

Das ist auch richtig so.

Die Kirchen als Ausdruck des Christentums dürfen jedoch nicht vergessen, dass sie sich nicht als Teil eines allgemeinen religiösen Beruhigungsprogramms verstehen; auch nicht als Teil eines ausgeklügelten Programms, um die aufgeregte Psyche der Menschen Wort werden zu lassen und somit zu beruhigen. Denn der christliche Glaube, der in der Tradition des Judentums steht, setzt auch eigene Akzente, wenn es um das Gebet geht. Ein paar Punkte seien genannt:

  1. Das Gebet des Gerechten vermag viel – es geht also nicht allein um Worte, sondern die Worte müssen durch eine Gott entsprechende Ethik/Moral legitimiert werden.
  2. Im Namen Jesu beten – es geht nicht allein um Worte, die nicht vom glaubenden Herzen gedeckt werden. (In der Nichtjüdischen Tradition sehen die Götter den Menschen, hören ihn, aber können nicht in ihn hineinschauen, was sie beim Beten denken usw. Im jüdischen und christlichen Glauben wird erkannt, dass Gott auch das Herz des Menschen kennt, also sein innerstes Wollen – auch wenn der Menschen anderes redet.) Im Namen Jesu beten setzt Glauben voraus, setzt die Liebe zu Jesus Christus voraus, setzt aber noch etwas voraus, das im Vater-Unser deutlich ausgesprochen wird:
  3. Dein Wille geschehe… – Betende lassen Gottes Willen Raum, ordnen sich Gott unter. Das bedeutet eben auch, wenn Gebete nicht erhört werden, dass Glaubende aus dem Glauben heraus nach Gottes Willen fragen.
  4. Christen sprechen Gott mit Vater an. Wie auch immer es heute gesehen wird: Es geht um ein Wort familiärer Beziehung. Da Gott ein liebender Vater ist, versuchen Christen diese Beziehung im Glauben zu stärken, im Glauben zu wachsen, Gott zu verstehen. Jesus ging es in seiner Gebetslehre darum, Gott vertrauen zu lernen. Gott ist auch gerecht. Das bedeutet, dass er seinen Willen auch gegen den Willen des Kindes durchsetzt. Diese Beziehung ist die Basis jeden Gebets.
  5. Christen hatten keine Opfer mehr – also auch keine Sündopfer. Jesus ist für die Sünden der Menschen gestorben, also fallen in aufgeregten Zeiten die Sündopfer weg. An die Stelle dieser Opfer tritt das Bußgebet, also das Bekenntnis der eigenen Sünde, Schuld, des eigenen Versagens.
  6. Wenn die Gebete im Zentrum der Lehre der Kirche stehen, die Jesus gebetet hat, dann fällt auf, dass er nicht um die Zerstörung der Gegner bittet, nicht um Verhinderung von Gewalttaten, nicht um Massenbekehrungen. Der Feind wird gesegnet, Gott möge Arbeiter in die Missionsernte schicken. Es wird von denen, die ihm nachfolgen, eine Menge an Tun verlangt, es sei an die Bitte im Vater-Unser erinnert: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben denen, die an uns schuldig geworden sind. Glaubend Betende lernen, ihr Weltbild Gott unterzuordnen – und nicht Gott ihrem Weltbild unterzuordnen.
  7. Jesus lehrt auch, dass Glaubende Gott bestürmen dürfen und sollen. Ich verstehe diese Texte vom Gethsemanegebet her. Im Gethsemanegebet bittet Jesus dreimal, dem Leiden entrinnen zu dürfen. Aber im Zentrum steht die Unterordnung unter Gott: Dein Wille geschehe.
  8. Das Gebet ist Teil des christlichen Lebens, das Gott die Ehre gibt. Auch wenn Glaubende Gottes Wege nicht verstehen. Der Glaube kämpft sich durch das Dickicht des Nichtverstehens wieder zu Gott durch, und gibt Gott die Ehre.

Bei einem Gebets-Zusammenkommen in Krisen, können sich Nichtglaubende vom Gebet Glaubender tragen lassen und Glaubende können Nichtglaubende in das Gebet hineinnehmen.

Für mich gehören beten und tun und sich überraschen lassen, was Gott machen wird, zusammen.