(1) Das alte Jahr
liegt mit gerupften Flügeln da.
Ein paar Federn glänzen noch
und doch…
Das neue Jahr,
ist dir das klar?,
putzt schon ziemlich aufgebracht
seine bunte Flügelpracht.
Und wir nicht minder aufgeregt
schauen ängstlich, unentwegt,
ob dieses Jahres Federkleid
hält das ersehnte Glück bereit.
Ob eine Glück- ob Trauerfeder fällt,
Gott das Jahr in Händen hält.
Aus Gottes Händen nehmen mag
– ich jeden Tag.
(2) Kahl der Baum,
verweist das Nest,
hoffnungslos,
kalt und nass.
Kein Ahnen.
Kein Hoffen.
Doch kommt noch was,
die Zukunft ist offen.
Wir lassen es uns sagen.
Darum, nur darum können wir es wagen.
Weil ER es ist, der zu uns spricht,
verzag ich nicht, verzagst du nicht.
(3) Woher das Leben kommt auf Erden?
Keiner weiß woher.
Woher das Leben kommt nach Sterben?
Keiner weiß woher.
Das Wissen ist klein.
Gott ist groß,
und nimmt Wissen und Unwissen in sich hinein.
(4) Herbstfarben einsaugen:
Gold der Sonnenblume,
Dahlienrot,
das Bunt der Blätter,
Essigbaumrot,
bevor die Kälte kommt
und der Anblick des Feuerdorns
nicht mehr wärmt.
(5) Sonnenblumen blühen jetzt.
Letzte leuchtende Nahrung für Hummel, Biene, Schmetterling,
und Wintervögel dann – picken heraus die Samen,
Die Schwalben ziehen schwatzend fort.
Die Sonne auf der Erde leuchtet ein Ade.
(6) Wanderung.
Vollkommene dumpfe Stille
lag auf dem schmalen Weg.
Kein Vogel.
Kein Insekt.
Kein Wort.
Das Grün lebte
in 1000 Nuancen.
(7) Kirschbaum,
hat die Blüte im Frühjahr das Auge
und die Bienen beglückt,
hat die Frucht im Frühsommer den Magen erfreut,
die Stare, die Maden, den Nistvogel,
spendet im Hochsommer Baumesschatten.
Im Laubhaufen sucht im Herbst der Igel seine Ruhe,
verkriechen sich Schnecken, Spinnen, Käfer.
(8) Umgaukelt von bunten Schmetterlingen,
umweht vom warmen Duft des Sommers,
streifen mich Eisflügel, dann und wann.
Sie schmelzen im strahlenden Licht der Liebe.
(9) Je mehr ich darüber nachsinne,
das Grün der Bäume – das Chlorophyll,
die Farbenpracht der Blüten – die Wellen des Lichts,
das Ziehen der Wolken – den Wasserkreislauf,
das Strahlen der Sonne – die Wirbel ziehenden Galaxien,
die vielfältigsten Steine – Mineralien durchglüht vom Feuer der Erde,
den Menschen – mit Hoffnungen, Gefühlen, Ängsten, Enttäuschungen, Schmerz, Sehnsucht…
desto weiter wird die Seele,
desto dankbarer der Geist.
(10) Auch Stein lebt.
Aber er empfängt nicht,
aber er schenkt nicht.
Er ist auf seine Weise
rauh, hart, warm.
(11) Lebensziel
Wie eine Sternschnuppe
ziehe ich leuchtend vorbei,
mache glücklich und verlösche
in Gottes Arme hinein.
Erhoben zieht ihr
weiter.
(12) Abschied nehmen
Manchmal muss man Abschied nehmen vom Tod
und das Leben wie ein Sommerwehen in sich hereinlassen.
Manchmal muss man Abschied nehmen von den Krankheiten
und seiner Seele den bunten Gaukelflug des Schmetterlings gönnen.
Manchmal muss man Abschied nehmen von den Bildern der Zerstörung
und das Bild einer voll blühenden Rose in sich duften lassen.
Manchmal muss man Abschied nehmen von der Befürchtung, von der Angst
und die Freude wie einen strahlenden Sonnenball in sich groß werden lassen.
Tod und Krankheit, Zerstörung und Angst – abgeben.
Abgeben in die Hand des Großen Liebenden.
(13) Durch schnarchst. Wie schön. Es
kommt die Zeit, da werde ich
es sehr vermissen.
(14) Der Geist Gottes belebt Gottes Schöpfung.
Ohne Gottes Geist bliebe die Materie tot,
bliebe das Leben ohne Kraft und Schönheit,
wüssten wir nichts von Liebe, Freude
und von Gottes Willen.
Im Geist Jesu Christi leben: in Liebe, Freude,
Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue,
Besonnenheit und Selbstbeherrschung (Gal 5) –
leben in seiner Kraft, seiner Schönheit, Liebe und Freude
und Erkenntnis seines Willens.
(15) Während die Kollegen
den Feind ankeckern,
sitzt der Amselhahn
auf der Baumspitze
und singt.
(16) Der Herr ist auferstanden
in das jeweilige Jetzt der Liebe.
Er ist auferstanden
in der stärkenden Hand,
im umfangenden Arm,
in aufrichtenden Worten,
in liebenden Gedanken.
Der Herr ist auferstanden
in das jeweilige Jetzt der Liebe –
nicht nur.
(17) Auferstehung
Der Tod will Christ nicht haben,
die Erde gibt ihn frei.
Darum: Werdet ihr mich einst begraben,
ich bin dann schon längst nicht mehr dabei.
(18) Klagepsalm der Gegenwart
Die Aggressoren erlauben sich alles –
die Verteidiger dürfen nur brave Leutchen sein.
Wenn die Verteidiger mit ihren Worten oder Taten schärfer werden,
fallen die Aggressoren über sie her:
Ihr seid böse geworden,
ihr habt uns gekränkt,
ihr habt die falschen Verteidigungsmittel verwendet!
Das dürft ihr nicht!
Und der lauthalse Teil der Bevölkerung stimmt ein in die Klage der Aggressoren:
Eure Mittel waren unverhältnismäßig!
Eure Worte waren sarkastisch, abwertend!
Das muss man unterbinden!
Und die Mittel werden eingeschränkt und die Worte werden geahndet.
Die Angegriffenen werden den Aggressoren zum Fraß vorgeworfen.
Gott, wo bleibst du?
Unter den Stiefeln, Steinen und Stangen der Aggressoren,
unter den Worthülsen der Schreihälse.
Ein Dorn, der sich erhebt und zum blühenden Dornstrauch wird.
(19) Ein Dichter dichtet so vor sich hin.
Da sagen die Leut:
Das macht ja keinen Sinn!
Da sagt der Dichter: Liebe Leut´, ich habe an Worten meine Freud!
(20) Zerreißendes Leiden und
flügelleichtes Federglück,
Menschenkind.
Im Kokon der Einsamkeit,
zerrissen das Gespinst und Gaukelflug,
zurück in die Buntheit erinnernder Sehnsuchtsräume.
(21) Der raffinierte Käfer
Ein Käfer sprang von einem Blatte.
Auf dem Boden lag keine weiche Matte.
Er brach sich dennoch kein Bein,
er konnte fliegen – ganz von allein.
(22) Armer Baum – ganz traurig
Die Bäume trieben Blätter,
es war recht warmes Wetter.
Da kam der Frost herbei –
aus war es mit der Blätterei.
Armer Baum – ganz glücklich
Am Baume hingen Samen
bis die Vögel kamen.
Sie fraßen sie mit schrillem Schrei
und säten die Samen mit ihrem Brei.
(23) Zaghaft weht ihr Lächeln
in sein Angesicht.
Ganz behutsam setzt es sich
in seinen Augenblick.
Ein Wimpernschlag nur –
und es zieht im Herzen
eine sacht geahnte Spur.
(24) Einmal nichts machen,
wirklich nichts machen,
nur schweigen in Gott,
dankbares Schweigen –
weit geöffneter Blütenkelch.
(25) Ewig im Jetzt
Funkelnder Sternenhimmel des Südens
mit betörendem Nachtduft:
Ewig im Jetzt.
Von Nachtgeistern umschwirrt:
Jetzt im Ewig.
Wärmender Lichthimmel
mit belebendem Morgentau:
Ewig im Jetzt.
Von Tauben umgurrt.
Jetzt im Ewig.
(26) Keine Frau mehr,
gefesseltes Objekt,
bestimmte Körperteile im Fokus
werden traktiert,
groß wird der Schmerz auf dem Gesicht
von der Kamera fokussiert.
Komplize der Gewalt.
(27) Frühvögel singen
Markieren Revier
Freudig und dankbar
Den Fängen der Nacht,
Katzenfang
Marderbiss
Entronnen zu sein.
(28) Der Großstädter klagte
Es gibt keine Bienen mehr.
Warum nicht?
Weil sie alle in unsrem
Kirschbaum fleißig arbeiten,
den der Großstädter nur aus dem Bilderbuch kennt.
(29) Nachruf
Er schied aus
Er schied aus dem Leben,
der Blumenmensch,
der Natur und Menschen liebte,
grenzenlos.
Grenzen nicht kannte
zwischen Liebe
und Übergriff.
(30) Groß, wunderbar groß
ist der Augenblick,
in dem das Beten-Wollen
dem Herzensgebet weicht.
Groß, groß, unaussprechlich,
ist der heilige Geist.
(31) Die Frau sagte:
Ich liebe den Wind in den Haaren,
den Hauch von Freiheit.
Die Frau sagte:
Ich liebe es, mein Gesicht zu zeigen,
den Hauch von Würde.