Im folgenden Abschnitt nummeriere ich die Gedichte – das heißt, man kann an jedem Tag eines Monats (in diesem Blog: 2 Monate) ein Gedicht lesen. Leider sind sie noch nicht inhaltlich passend nach Monaten eingeordnet. Das folgt, wenn dann alle gesichtet worden sind, in einem weiteren Schritt.

(1) Christ-Fest

Christ-Fest feiern wir,
wenn Einsame Gemeinschaft erfahren,
wenn Kranken Hoffnung wird,
wenn Ausgestoßenen die Hand gereicht wird,
wenn Ängstliche mutig werden,
wenn Besitzende teilen,
wenn Gewalttätige sich schenken,
wenn Wortgewaltige schweigen,
wenn No-names stolz ihren Namen aussprechen,
wenn Lügende sich zu schade werden, weiterhin zu lügen,
wenn Selbstzerstörung in Selbstannahme mündet,
wenn Weltzerstörung zur -bewahrung führt,
wenn Menschen sich nicht mit der Welt zufrieden geben
– sondern Gottes Licht und Wärme spüren.
Das wird ein Fest!
Christ-Fest.

(2) Gott verteidigen

wer kann das schon?
Wenn Gott sich verbirgt,
wer kann ihn entbergen?
Gott allein, Gott allein.
Auf ihn warten in Geduld!?

(3) Wir warten dein, oh Jesus Christ,

weil du noch nicht gekommen bist.
Doch wenn du kommst – dann laufen wir,
wir wollen dich nicht haben hier.
Bleib du nur Kind von dazumal
dann rufen wir dich Jahr um Jahr.

(4) Straßenlicht

verwirrt die Sonnenuhr.
Schattenlichter
verwirren mein Herz.

(5) Alp

Irgendein Spaßvogel
hat in das Brot vor mir
das ausgemergelte Antlitz
eines Verhungernden
geknetet.

(6) Gasthaus

Die eine knabbert
am Geflügelspießchen, die
andre am Finger.

(7) Wenn Regentropfen mich benetzen,

fließen sie zu einem Gedicht.
Wenn Sonnenstrahlen mich aufrichten,
leuchten sie zu einem Gedicht.
Wenn deine Worte in mich dringen,
klingen sie zu einem Gedicht.
Wenn deine Finger mich berühren,
schreiben sie mir ein Gedicht.
Tropfen, Strahlen, Wort und Finger
mein Gedicht.

(8) Der Tod ist der Regen,

Gottes Licht ist die Sonn,
sie locken hervor
den kecken Keimling.
Froh und ernst treibt er:
endlich Gottes Lichtschein sehn,
das den Fruchtkern wachsen ließ
– und der Regen auch.

(9) Die Blätter zittern

auch im warmen Herbstwind – so
ein Gefühl von mir.

(10) In allen Farben

spielen Haare. Du, Färbung,
tötest Farbenspiel.

(11) Drachen basteln.

Drachen grinsen.
Drachen steigen.
Drachen fallen.
Drachen flattern.
Drachen wogen.
Fröhliches Lachen.
Neue Drachen:
kaufen,
zerren,
knattern,
Furcht einflößend.

(12) Liebe wird nicht mehr besungen.

Liebe, sie ist einfach da!
Liebe wird nicht mehr beredet,
Liebe, sie ist herzensnah!
Eine ohne Worte Liebe
– geht?
Ganz still?

(13) Visuelle Poesie

Wer setzt es zusammen? Alles zerfällt in einzelne Teile.“

zusammen es wer Teile in zerfällt einzelne setzt alles
Wre tztes mmenzusna se sella fllätrez ni leite
Man muss in all dem Chaos nur die Struktur finden,  dann versteht man. Nicht die Ordnung. Sie lässt ratlos zurück:
eeeeeeeeeeewrrsssstttzzzuaaämmnnnnllllllfiii

(14) Wir sind einander nah,

wir meinen, es wird für immer sein.
Stumm blicken wir uns an,
dunkel ahnen wir:
Die Trennung naht,
wir meinen, sie wird für immer sein.

(15) Bevor der Tod

nach ihm greift,
greift er nach Luxus:
Leute, lassts krachen!
Bevor der Tod
nach ihm greift,
greift er das Extrem:
Leute, lassts krachen!
Bevor der Tod
nach ihm greift,
ergriff er den Tod:
Leute, lassts krachen!

(16) Als der Knopf an der Bluse war,

sagte er sich schelmisch: Naaa!
Und sprang putzmunter,
von der bunten Bluse runter.
Die Dame konnte das nicht sehn
und blieb ganz unbekümmert stehn.
Die Augen des Herrn guckten,
seine Finger und Lippen zuckten.
Da man dann jedoch nichts tut,
fasste er sich gestrengen Mut:
schaute ihr in die Augen fest –
und dachte sich dabei den Rest.

(17) Zwei Liebende lagen im Klee.

Da sagte sie: Tu mir nicht weh.
Da sagte er stöhnend im Klee:
Ich weiß, scheiden tut weh
– aber ich geh.
Ramdandei, ramandei, ram.

Da fragte sie: Warum?
Da sagte er: Die Zeit ist um,
– unsre Zeit ist um.
Ramdandei, ramandei, ram.

Sie weinte heiß in den Klee,
der wurde zu eiskaltem Schnee.
Er sagte: Ade
– und Strg C.
Ramdandei, ramandei, ram.

(18) Sonnendurchflutet

wabern lichte Nebel und
künden nahen Herbst.

(19) Immer wieder schrie

der Besoffene in die Nacht:
Ich bin eine Hur´!

(20) Nachruf.

Zum Geburtstag rief sie
früh morgens lachend an.
Sie starb.
Ich vermiss ihr Lachen.

(21) Gute Worte

höhlen Steine,
lassen blühen –
sind verklungen.

(22) Schneeglitzern,

geweht von den Gipfeln,
besprüht unsere Haut
mit winzigen Kristallen.
Die dunkle Bläue des Himmels
rötet dein Gesicht.
Deine Augen leuchten.
Die Schönheit drückt
uns eng zusammen.

(23) Verborgener Beobachter,

du sirrst in den höchsten der Töne:
Wirst du, winziger Lauscher,
auch von den Wellen der Liebe getragen?
Liebe reizt,
stichelt nicht,
Störenfried!

(24) Eintauchen

Der ganze Wald ist ein Gesang,
die ganze Wiese ein Gezirp,
mein ganzes Herz ist tiefer Dank.

(25) Strandgedanken

An den Stränden tummeln sich
rotbraune Körper
ohne weiße Streifen.
Wunderschön anzusehn.
Wie sehr missachtet man den Schöpfer,
lehnt man ab sein Werk.

(26) Ja, sie war hier!

Ihr Morgenduft begegnet mir –
ein Seidentuch berührt wehend mein Gesicht.

(27) Nachruf.

Morgens öffnete er
klackernd die Fensterläden.
Er starb. Ich vermisse das Klackern.

(28) Nachtschwärmer –

heißes Verlangen,
suchtvolles Suchen.
Am Quell des Lichts
das Tor zum Leben
Taumel der Träume.
Vom Schmerz gezeichnet:
erschrockenes Fliehn,
süchtiges Zurück,
verbranntes Zucken.
Letztes Aufbäumen
Taumel der Träume.

Die folgenden zwei Gedichte stammen aus der Frühzeit meines Dichtens. Soweit ich das an ihnen erkennen kann, habe ich versucht, das, was ich sehe und spüre, nachzuzeichnen, so eine Art Wort-Gemälde. Sie sind sehr lang.

(29) Netzgefangener Nebel
entflieht grauen Schwaden:
leicht, schüttern, lockig,
die geschmückten Ohren
wild überfließend.
Die Stirn frei und hoch:
vom Windeswüten
zerklüfteter Fels.
Die schweren dunklen Brauen
durch tiefe Gräben getrennt:
verfeindete Geschwister.
Die matten Augen
sehen schwerfällig
und dickumrandet
ins Leere.
Die Nase sitzt stumpf,
von Gerüchen schwer,
oberhalb blasser,
von Flaum umrahmten
bewegten Lippen.
Gefaltete Hände,
pergamentbezogen
und von Aderstreifen
dunkelblau durchwoben.
Vom vielen Fassen
rissige Finger,
zitternde Zeugen
des Lebens.

(30) Alles flimmert, ausgedörrt,

sonnenausgedörrt.
Blumenköpfe hängen verschlossen.
Baumwurzeln suchen in der Tiefe.
Gras – Stroh.
Alles flimmert.
Waldflimmern.
Wiesenflimmern.
Luft, dickflüssig, unatembar.
Hitze, schwer, unträglich.
Vögel, verstummt, flügelgedehnt.
Luftflimmern.
Hitzeflimmern.
Sonne – weg.
Dunkler.
Schwarz.
Wind weht, stürmt –
Bäume biegen,
Bäume stöhnen,
Bäume ächzen, schrein.
Blätter, Äste heimatlos.
Alles still.
Alles starr.
Alles zuckt.
Ein Baum kämpft.
Knistert: Leben!
Vergeblich.
Feuer gefräßig.
Zittern.
Donner,
ohrenbetäubend.
Zittern.
Tropfen klatschen,
prasseln, knallen.
Rissige Erde saugt gierig.
Wind zerwühlt Bäume.
Regen umspült Blumen.
Alles atmet, trinkt, atmet, trinkt.
Stille.
Tropfen.
Grüne Sonne,
mildes Licht.
Vögel zwitschern,
Insekten summen,
Tropfen pitschen.
Braune Pfützen.
Leben, Leben.

(31) Die Morgennebel steigen,

das Korn steht grün und grad,
Johannisbeeren hängen rot und schwer an Zweigen,
doch in meinem Hirn ist´s fad.
Mir fällt kein Reim ein, mir fällt kein Reim ein,
drum lass ich´s Weiterreimen sein.