Ohne Zweifel spricht Jesus in den Gleichnissen von sich selbst – aber doch in einem anderen Sinn. Gleichnisse haben Leerstellen. So wird nicht gesagt, wer der Sämann ist, der das Wort aussät, das dann auf verschiedene Böden fällt (Mk 4) – entsprechend sind auch die anderen Saatgleichnisse zu beurteilen. Oder im Gleichnis vom Verlorenen Sohn kommt der Sohn, der sich vom Vater entfernt hat zur Umkehr, als es ihm besonders schlecht geht. Von Jesus ist nicht die Rede. Doch wenn das Gleichnis sein Wirken beschreibt, dass er sich den Sündern zuwendet und sie zur Umkehr zum Vater führt, dann ist dieser Moment vor der Reue des Verlorenen Sohnes der Moment, an dem Jesus sich selbst denkt, einzeichnen wird (Lk 15). Er ist auch derjenige, der als Hirte das verlorene Schaf sucht, auch wenn er es nicht direkt sagt (Lk 15). Auch leben die Gleichnisse von seiner Autorität. So im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Ist dem so, dass der Verletzte der Maßstab dafür ist, wer als Nächster gilt – selbst wenn es sich um einen ungeliebten Außenseiter handelt? Das kann natürlich verneint werden. Das Gleichnis bekommt seinen Wert eigentlich nur durch den, der es erzählt.

Das bedeutet: In den Gleichnissen ist Jesus nicht nur mit seiner Autorität im Hintergrund zu sehen, sondern in den genannten Leerstellen auch selbst einzufügen. Von daher ist Jesus auch selbst in den Gleichnissen Thema – das jedoch in diesem Spannungsbogen. Er sagt es nicht. Es ist erst der Glaube, der ihn in diese Leerstellen einzusetzen vermag. Und wird das getan, dann sind seine ausgestreuten Worte wirklich Worte, die auf fruchtbarem Boden gefallen, Frucht bringen. Dieser Spannungsbogen müsste aufrechterhalten bleiben, ohne dass er mit dem Bekenntnis übermalt wird.

Der Evangelist Johannes hat in seinen Bilderreden diesen Spannungsbogen ebenfalls nicht gelassen, sondern die Leerstellen mit Christologie gefüllt und kommt zu den großartigen Aussagen, die in Kapitel 10 zu finden sind. Aus dem Bildmaterial, das der Bildspender Schafzucht ermöglicht, hat er das des Hirten, des Stalles, der Tür usw. entnommen und hat diese in einzigartiger Weise mit Jesus Christus verknüpft. Diese Art und Weise, die Leerstellen von Gleichnissen mit dem Verkündiger zu füllen ist also legitim – ich wäre freilich eher dafür, den Spannungsbogen stärker herauszuarbeiten, weil Jesus Christus die Füllung den Hörern der Gleichnisse jeweils überlässt.